Nach den brutalen Überfällen von Schweizer Schülern auf Passanten in München suchen die Ermittler nach drei weiteren, noch unbekannten Opfern. Die Jugendlichen hatten nach ihrer Festnahme selbst zugegeben, neben einem Geschäftsmann und einem Studenten drei weitere Menschen geschlagen zu haben. Der am schwersten verletzte Geschäftsmann aus Ratingen in Nordrhein-Westfalen müsse möglicherweise mit bleibenden Schäden an den Augen rechnen, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Der Mann erlitt einen doppelten Kieferbruch und einen Jochbeinbruch sowie ein Schleudertrauma.
Fünf Teenager waren am Donnerstag in München als Tatverdächtige festgenommen worden. Gegen drei 16-Jährige erging Haftbefehl. Sie sind in der Schweiz bereits vorbestraft. Einer der angeschuldigten Schläger wurde wegen Diebstahl und Hausfriedensbruch verurteilt, ein zweiter wegen einfacher Körperverletzung. Der dritte Jugendliche ist wegen Raubversuch und Angriff vorbestraft. Ein 15- Jähriger und ein 17-Jähriger sind inzwischen wieder auf freiem Fuß, sie sollen nicht unmittelbar beteiligt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen versuchten Mordes.
Die Schweizer Öffentlichkeit hat mit Entsetzen auf die brutalen Übergriffe in München reagiert. Schweizer Medien berichteten ausführlich über den Fall der Schläger, die nach eigenen Angaben "ein paar Leute wegklatschen" und Spaß dabei haben wollten. Die Jugendlichen waren mit ihrer Klasse des zehnten Schuljahrs der Weiterbildungs- und Berufswahlschule Küsnacht (WBK) auf Klassenfahrt in München gewesen, wie die Schule mitteilte.
Direktor Max Heberlein sagte im Fernsehen, es sei bekannt, dass es mit Jugendlichen an der Schule Probleme gebe. Daraus könne man aber nicht schließen, "dass alle sozial geschädigt sind", sagte der Direktor. Seine Schule liegt an der sogenannten Goldküste von Zürich am See. Dort wohnen in der Regel die Reichen und Gutsituierten. An der Schule werden Jugendliche unterrichtet und weitergebildet, die bisher keine Lehrstelle gefunden haben.
Die Zeitung "Blick" berichtete am Freitag vom Anruf eines mutmaßlichen Schlägers bei seinem Vater. Der Schüler habe Hochdeutsch und nicht den Schweizer Dialekt sprechen müssen und nur zwei Sätze sagen dürfen. Dabei habe der geständige Täter geweint. Er habe etwas Schlimmes getan, es tue ihm so leid.
Der Vater erklärte der Zeitung, sein Sohn habe ab August endlich eine Lehrstelle als Autoersatzteile-Logistiker gefunden. Es sei schade, dass das Ganze in Deutschland passiert sei. "In der Schweiz würde Mike nicht so hart bestraft. Hier bekäme er eine zweite Chance." Dies habe geklungen, als sei der Gewaltrausch bloß Pech gewesen, schrieb die Zeitung.
Eine Augenzeugin aus der Schulklasse berichtete dem "Blick", dass sie alle in einem Park unter anderem Wodka-Redbull getrunken hätten. Einer der späteren geständigen Täter sei "ausgerastet, weil er sein Portemonnaie verloren" habe.
Die Beschuldigten hätten bei der Befragung "sehr wenig Reue" gezeigt, sagte Harald Pickert, Kriminaldirektor der Polizei München, der "Tagesschau" des Schweizer Fernsehens. Gegen die drei in Untersuchungshaft sitzenden Jugendlichen sei bereits früher in der Schweiz wegen ähnlicher Taten ermittelt worden. Die Jugendlichen hätten sehr abgebrüht gewirkt, sagte er. Ob ein Mensch sterbe, sei ihnen seiner Ansicht nach im Prinzip egal gewesen.
Ermittler halten die brutalen Überfälle für noch alarmierender als den Fall der Münchner U-Bahnschläger vor eineinhalb Jahren. Damals hatten zwei junge Männer einen Rentner hinterrücks niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt, nachdem er sie aufgefordert hatte, in der U-Bahn nicht zu rauchen. "Das hat noch einmal eine höhere Dimension", sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler am Freitag. "Das Motiv ist 'Lust am Klatschen'", sagte Polizeisprecher Andreas Ruch. "Das ist natürlich das Bedenklichste überhaupt, wenn man nur aus 'Lust am Klatschen' einen Mann fast zu Tode prügelt."