Angelo Vassallo war Fischer. Er stammte aus Acciaroli, einem kleinen Badeort mit knapp 700 Einwohnern, der in der Region Cilento liegt, 130 Kilometer südöstlich von Neapel. Acciaroli ist für drei Dinge berühmt: für seinen kilometerlangen Sandstrand. Für die außergewöhnlich hohe Zahl von Hundertjährigen, die dort leben. Und dafür, dass Ernest Hemingway dort nach Ende des Zweiten Weltkriegs einige Monate verbrachte und zu seinem Roman "Der alte Mann und das Meer" inspiriert worden sein soll.
Ob Angelo den Roman je gelesen hat, ist nicht bekannt. Fest steht nur: Er fuhr beinahe 20 Jahre zur See, fing Sardellen und Tintenfische, dann entschied er sich, in die Politik zu gehen. Es gibt einen Satz, den er oft gesagt hat: "Wer sein ganzes Leben auf dem Meer verbracht hat, kann keine Angst vor den Menschen haben."
Ich weiß das aus ziemlich sicherer Quelle. Denn ich kannte Angelo Vassallo gut, den "Fischerbürgermeister", wie er von allen genannt wurde.
Ich bin in Neapel groß geworden, aber Acciaroli ist mein Sehnsuchtsort. Meine Eltern verbrachten dort in den 1970er-Jahren ihren ersten Urlaub nach der Verlobung. 40 Jahre lang kehrten sie jeden Sommer zurück, erst zu zweit als Ehepaar, dann mit meiner Schwester und später mit mir. Irgendwann lernte unsere Familie die von Angelo Vassallo kennen, und während Sommer um Sommer verging, konnten wir mit ansehen, wie Acciaroli unter seiner Ägide immer schöner wurde und sich in die "Perle des Cilento" verwandelte. Wir waren da, als die politischen Erfolge des Fischerbürgermeisters wie Feste gefeiert wurden. Und wir waren auch in seinem letzten Sommer dort. Nur wenige Tage, bevor neun Kugeln, abgefeuert aus einer Pistole des Modells Baby Tanfoglio, Kaliber 9 x 21, Angelo Vassallos Leben ein Ende setzten.