Die alte Dame tritt vor die Tür ihres kleinen Ziegelhauses. In der Hand hält sie eine Plastiktüte mit Vogelfutter. Langsam steigt sie die Stufe zu dem Kiesweg hinunter, den Walter, ihr vor zehn Jahren verstorbener Mann, angelegt hat. Aus dem Nichts kommen zwölf Tauben angeflattert. Dann noch sechs weitere. „Schauen Sie sich die ganz weiße an“, sagt Mary Scott. „Ich nenne sie Miss Whitey.“
Dann beginnt ihre Stimme zu zittern, und für einen Moment vergisst sie die Tauben. Mary Scott hat einen jungen Mann auf der Straße bemerkt, er läuft an einem der dreistöckigen Neubauten vorbei. Sie starrt in die Richtung des jungen Mannes. Ihre Augen blinzeln hinter ihrer Brille. Einen Moment lang weiß sie nicht, was sie tun soll. „Manchmal sehe ich jemanden und denke, es ist mein Sohn“, sagt sie. „Dann denke ich, er ist endlich nach Hause gekommen.“
Es ist ein Morgen im September 2010, an dem die 83-Jährige mit dem Autor dieser Geschichte spricht, fast 40 Jahre nachdem alles geschah. Mary Scott wohnt in der 21. Straße West in Houston Heights, einem Viertel etwa acht Kilometer nordwestlich des Stadtzentrums von Houston. Am 20. April 1972 verließ ihr 17-jähriger Sohn Mark, ein Junge mit blauen Augen und Grübchen, das Haus und wurde nie wieder gesehen. Mit ihrem Mann Walter und ihrem jüngeren Sohn Jeff rief sie Marks Freunde und Mitschüler an, fragte, ob einer von ihnen Mark begegnet sei. Sie fuhren die Straßen der Nachbarschaft ab. Sie kontaktierten die Krankenhäuser. Am Ende ging Walter zur Polizei und meldete seinen Sohn als vermisst.
Einige Tage später bekamen sie eine Postkarte von Mark: „Wie geht es euch? Ich bin in Austin und habe einen guten Job für drei Dollar die Stunde gefunden.“ Die Eltern schüttelten ungläubig den Kopf. Ihr Sohn, der gerade mal in die elfte Klasse ging, war, ohne ein Wort zu sagen, nach Austin gefahren? Nein. Etwas Schreckliches musste passiert sein.