Das neue Jahr hatte vor ein paar Tagen erst begonnen, und alles deutete darauf hin, dass 2017 viel für Birna Brjánsdóttir bereithielt. Vor sechs Wochen war sie 20 geworden, hatte sich zu ihrem Geburtstag ein neues Tattoo stechen lassen, und als Nächstes wollte sie mit ihren Freundinnen in die USA reisen. Sie war eine junge Frau im Aufbruch, so wie das Land, in dem sie lebte.

An diesem Abend traf sie sich mit ihrer besten Freundin Matthildur in der Innenstadt von Reykjavík. Der neue Pony fiel ihr über die nachgemalten Augenbrauen. Die Freundinnen spielten in einer Kneipe Karten. Birna gewann, wie immer. Dann zogen sie weiter ins „Húrra“. In der Indie-Bar gab es an diesem Abend Freibier. Jungs in Holzfällerhemden und Mädchen in engen Tops tanzten. Birna allerdings trug, wie meistens, einen Kapuzenpullover, dazu schwarze Jeans und Doc Martens. Um zwei Uhr verabschiedete sich Matthildur. Birna blieb. Drei Stunden später verließ sie das „Húrra“ und kaufte sich in einem Imbiss einen Kebab.
Es war Samstag, der 14. Januar, kurz nach fünf Uhr morgens, hinter der Bucht von Reykjavík lag die Gebirgskette Esjan überzogen von Schnee, als Birna bei vier Grad minus mit offener Fleecejacke in den tiefschwarzen Morgen wankte. Sie lief im Schein der Straßenlaternen.
Erst sechs Stunden später würden die Lichter erlöschen, wenn die Sonne über Island aufgehen würde.