Expertinneninterview "Sie denken sich Unfälle aus oder sie verniedlichen, was sie getan haben"

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  • von Felix Schröder
Wenn Eltern ihre Kinder misshandeln, versuchen sie häufig, es danach zu vertuschen. Rechtsmedizinerin Sibylle Banaschak kennt etliche Formen der Lüge – und Wege, sie zu enthüllen
Verschiedene Puppen
Puppen in Banaschaks Untersuchungszimmer. Mit ihnen können die Kinder vorführen, was wirklich passiert ist
© Marcus Simaitis

Frau Banaschak, als Rechtsmedizinerin untersuchen Sie seit über 20 Jahren die Verletzungsbilder misshandelter Kinder. Viele Eltern versuchen zu vertuschen, was sie ihren Kleinen angetan haben, und lassen sich Aus­reden und Lügen einfallen. Wann sind blaue Flecke verdächtig?
Ich werde hellhörig, wenn die Hämatome sehr großflächig ausgebreitet sind oder sich an außergewöhnlichen Körperstellen befinden. Auch geformte Verletzungen brauchen eine Erklärung. Beispielsweise, wenn sich im Gesicht ein streifiger Abdruck befindet. Oder das gesamte Gesäß ist blau und nicht nur die eine Hälfte. Ein Mädchen darf eine Genitalverletzung haben, nachdem es im Sport auf einen Schwebebalken gefallen ist. Aber es darf dabei keine Verletzung am Jungfernhäutchen haben. Das wäre ungewöhnlich.

Ist ein verspäteter Arztbesuch immer auffällig?
Natürlich. Auf der einen Seite wird beklagt, dass Eltern ständig wegen Nichtigkeiten in die Notaufnahme kommen. Und dann wird ein Kind mit großflächiger Verbrennung erst drei Tage später in die Klinik gebracht? Das ist schon komisch.

Erschienen in stern Crime 28/2019