Herr Steinfest, welches Verhältnis haben Sie zumVerbrechen?
Es erinnert mich immer an eine Naturgewalt, gleichsam ein Gewitter. Das Verbrechen ist erschreckend, macht uns Angst, sehr zu Recht, und fasziniert uns dennoch. Es rührt an etwas, das tief in uns verborgen lauert, dem wir aber meist nur auf Umwegen begegnen wollen. Literatur ist so ein Umweg. Träume übrigens auch.
Erklärt sich so die ungebrochene Faszination des True-Crime- und Krimi-Genres?
Ich würde gar nicht zwischen der Schilderung „echter“ Verbrechen und der Fiktion unterscheiden. Die Mechanismen sind gleich. Man schaut in Abgründe, die wir verdrängen, die uns aber dennoch vertraut sind. Es ist die böse, aggressive Seite in uns allen, die wir durch Erziehung, Gesetze, moralische Regelwerke von uns fernhalten. Aber sie ist dennoch ein Teil von uns. Und wir begegnen diesem Teil unseres Ichs gern gefahrenfrei in medialer Vermittlung. Wir können so unsere dunkle Seite ausleben und gleichzeitig das Bedürfnis nach Gerechtigkeit befriedigen. Wir spiegeln uns in der Tat gleichermaßen wie in ihrer Bestrafung.