Very British Das Geschäft mit den Teenie-Eltern

Großbritannien ist mal wieder geschockt: Ein 13-jähriger Junge ist Vater geworden. Doch Alfie Patten ist nur ein Fall von vielen. Die Revolverblätter zahlen große Summen an die frischgebackenen Eltern - und im Hintergrund zieht ein berüchtigter Medienberater die Strippen.

Eigentlich ist es keine Neuigkeit in England, dass ein 13-jähriger pausbäckiger Junge Vater wird. Schon vor über zehn Jahren war ein 12-Jähriger als bisher jüngster Vater in die britischen Annalen eingegangen, seit Jahren wissen die Briten, dass die Anzahl von Teenagerschwangerschaften in ihrem Land in der westlichen Welt nur noch von den USA überholt wird. 2006 wurden 7826 Mädchen unter 16 Jahren schwanger, in den meisten Fällen sind die Väter ebenfalls Teenager, Tendenz wieder leicht steigend.

"Was heißt finanziell?"

Es ist also ein altbekanntes, oft diskutiertes Problem, dass Großbritanniens Kinder zu oft zu jung Kinder bekommen. Und trotzdem hat in der vergangenen Woche ein solcher Fall für große Aufmerksamkeit gesorgt. Die "Sun", Großbritanniens größte Boulevardzeitung, zeigte ein Bild des 13-jährigen Alfie Patten auf der Titelseite, im Arm seine vier Tage alte Tochter Maisie. Auf die Frage, wie er sie finanziell über die Runde bringen wolle, fragte Alfie: "Was heißt finanziell?" Und teilte dann mit, dass er nur manchmal zehn Pfund von seinem Vater zugesteckt bekomme.

Vielleicht war es die seltsame Unschuld dieses 13-jährigen Vaters mit seinem kindlichen Körper, kaum 1,40 Meter ist er groß, die wiederum die Gemüter erregte - und die Zeitungen anstachelte, immer schneller immer neue Details über diese Geschichte zu drucken. Alfies Vater Dennis habe neun Kinder, hieß es, davon nur drei mit seiner Ehefrau, von der er sich getrennt habe. Eine seiner Töchter sei ebenfalls bereits mit 13 Jahren schwanger geworden. Die Mutter von Alfies Kind, die 15-jährige Chantelle Steadman, lebe mit ihren Eltern und fünf Geschwistern in einer Sozialwohnung, keiner in der Familie gehe einer bezahlten Arbeit nach. Alfie, so schreibt es die "Times", habe regelmäßig in Chantelles Zimmer schlafen dürfen, er sei so oft bei der Familie gewesen, dass er dort eine Schuluniform zum Umziehen deponiert habe.

Cornelia Fuchs

London ist der Nabel der Welt und Europa immer noch "der Kontinent". stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs beschreibt in ihrer wöchentlichen stern.de-Kolumne das Leben zwischen Canary Wharf und Buckingham Palace, zwischen Downing Street und Notting Hill.

Zuviel oder zu wenig Aufklärung?

Angesichts dieser Enthüllungen mischten sich Politiker in die Diskussion ein. Die konservative Opposition nutzte die Gelegenheit, ihr Schlagwort der "zerrissenen Gesellschaft Großbritanniens" heraus zu holen: Schuld sei die verfehlte Sozial-Politik der Labour-Regierung in den vergangenen zehn Jahren. Der Familienminister Ed Balls sagte: "Diese Bilder sind furchtbar anzuschauen. Ich möchte, dass wir als Gesellschaft alles tun, um diesen Familien zu helfen."

Auf die Politiker folgten die Kolumnisten. In den konservativen Blättern verurteilten sie zu frühe und zu viel Aufklärung in den Schulen, zu viel Sozialhilfe für junge Eltern und zu viel Sex in der Werbung. In den liberalen Zeitungen beklagten sie zu wenig Hilfe für Kinder am sozialen Rand, zu wenig Aufklärung in den Schulen und die Sexualisierung unserer Gesellschaft.

Prominente Hilfestellung

Dennis Patten, der Vater des jungen Vaters Alfie, Abschleppwagenfahrer, besorgte sich derweil einen Medienberater - und zwischen all dem Geschrei um Moral, Sexualität und die Verantwortung von Politik und Gesellschaft übernahm Max Clifford das Management des Teenager-Daddys. Clifford ist bekannt dafür, dass er die saftigsten Boulevard-Geschichten an den Mann bringt. Er hat OJ Simpson beraten und die angebliche Geliebte von David Beckham, Rebecca Loos. Er hat den Zauberer David Copperfield gegen Mediengerüchte verteidigt und im rechten Moment eine Boulevardzeitung über die Schwangerschaft von Premierminister Tony Blairs Gattin Cherie in Kenntnis gesetzt.

Nun berät er also die Familie Patten, genauer gesagt: den Vater Dennis. Der tauchte am Wochenende mit einer Teufels-Gummimaske vor dem Haus seiner Ex-Frau auf, ein Schild in der Hand, darauf war zu lesen: "Kein Kommentar, rufen Sie Max an". Vor dem Haus tummeln sich seit Tagen Fotografen, dem Vater folgt ein Fernseh-Team. Alfies Mutter Nicola sagt: "Ich bin an diesen Zirkus nicht gewöhnt, ich bin sehr gestresst." Alfie wird außerhalb seines Hauses und abseits der Kameras mit exklusiv verhandeltem Zugang nur noch versteckt unter Decken oder Kapuzen fotografiert. Einmal zeigte er dabei den Stinkefinger, er soll schon furchtbare Wutanfälle gehabt haben.

Geld vom Fernsehen

Die Familie der Teenager-Mutter Chantelle ist währenddessen aus ihrem Haus geflohen, das ebenfalls belagert wurde, sie haben das ganze Wochenende mit den Medien verhandelt. Es gibt Gerüchte über zehntausende Pfund, gar Millionen, die gezahlt wurden.

Offiziell hat niemand etwas bezahlt, Max Clifford gab auf Nachfragen zu verstehen, dass sein Klient sehr viel weniger als die angegebenen 50.000 Pfund für die Teilnahme an einer TV-Dokumentation bekommen habe. Doch die Beschwichtigungen helfen wenig. Inzwischen haben sich sechs andere Jungs gemeldet, die alle auch Vater sein wollen von Maisie, dem berühmten Baby. Alfie soll sich einem DNA-Test unterziehen, wird gemeldet. Alfie sagt, er wolle nicht, dass man schlecht über Chantelle spricht.

Das Jugendamt von Eastbourne, Essex, wehrt sich währenddessen gegen den Vorwurf, es unternehme nichts. Der Zugang sei durch die Medienaufmerksamkeit erschwert, ließ ein Sprecher mitteilen. Die Hilfe für beide Familien müsse neu überlegt werden, man habe stets nur das Wohlergehen der drei Kinder Alfie, Chantelle und Maisie im Blick und habe bereits weit vor der Geburt Sozialarbeiter in die Familien geschickt. Diese Arbeit sei nun obsolet geworden.

Der Abgeordnete des Bezirks hat angesichts der Situation eine Eingabe bei der Beschwerdestelle der Presse veranlasst. Deren Grundsätze sagen, dass weder Kinder noch deren Eltern für "Material, das das Wohlergehen der Kinder angehe", bezahlt werden dürfen. Als Ausnahme gilt allein ein großes, beweisbares öffentliches Interesse. Die Beschwerdestelle will in den nächsten Wochen über den Fall entscheiden. Ein Sprecher der Boulevardzeitung "The Sun" sagte zu dem Thema: "Wir kooperieren gerne mit der Beschwerdestelle. Wir glauben ausdrücklich, dass diese Geschichte im öffentlichen Interesse liegt!"

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