Während der Deutsche Landkreistag von einer "überfälligen Einigung" spricht, kritisiert der Verband Pro Asyl den Beschluss als "historischen Fehler". Besonders kontrovers wird die Reform bei den Grünen diskutiert.
Video Lob und Kritik für EU-Asyl-Kompromiss

STORY: Die geplante Reform der europäischen Asylpolitik hat gemischte Reaktionen in Deutschland ausgelöst. Der nach zähem Ringen am Donnerstag beschlossene Kompromiss der 27 EU-Mitgliedsstaaten sieht unter anderem vor, dass sich Menschen mit wenig Aussicht auf Asyl in Europa an der EU-Grenze einem Prüfverfahren stellen und bei Ablehnung direkt abgewiesen werden. Kay Ruge, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des deutschen Landkreistages, sprach am Freitag von einer "überfälligen Entscheidung". "Wir werden diejenigen, die aus Tunesien, wo wir kaum Anerkennungen haben, die aus nordafrikanischen Ländern kommen, wo wir kaum Anerkennung haben, in diese Verfahren bringen - nicht diejenigen aus Syrien, nicht diejenigen aus Afghanistan, aber all die anderen - und haben die Hoffnung, dass da die illegale Einwanderung, das Weiterwandern, die illegale Einreise unterbunden wird und dass auch das Signal an diese Länder geht: 'Es lohnt sich nicht mehr'. Karl Kopp, Sprecher der Organisation Pro Asyl, spricht hingegen von einem "historischen Fehler", der vom Europaparlament gestoppt werden müsse. "Das, was gestern beschlossen wurde, ist de facto eine Koalition der Unwilligen, die sagen: 'Wir nennen es 'Asylreform', aber faktisch wollen wir den Flüchtlingsschutz auslagern in Drittstaaten außerhalb Europas'. Das ist auch ein fatales Signal an die Welt. Ein großer Klub von 27 Demokratien sagt: 'Flüchtlingsschutz - ja, aber bitte nicht bei uns'. Das wird auch ein Modell für andere Regionen in der Welt sein." Besonders viel Kritik gibt es an dem Beschluss, Familien mit minderjährigen Kindern nicht generell von diesem Vorgehen auszuschließen. SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte sich mit ihrer Forderung diesbezüglich nicht durchsetzen können. Laut Beschluss müssen nun lediglich unbegleitete Minderjährige nicht in ein Grenzverfahren gehen. Dass die Ampel-Regierung mit Beteiligung der Grünen dem Kompromiss zugestimmt hat, nennt der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus "unwürdig". "Aus meiner Sicht ist das gerade die stärkste Asylrechtsverschärfung, wie wir sie in Europa jemals erlebt haben. Hier wurde ein Kompromiss gefunden, auf dem Rücken der Geflüchteten. Und für mich ist dieser Kompromiss, der da gefunden wurde, untragbar. Kinder sollen jetzt teilweise in Haft kommen, die eigentlich in der Schule sitzen sollten, und dann in den Außengrenzen in irgendwelche Lager gesteckt werden." In der Parteispitze gibt es Streit über die Einigung, wie Grünen-Co-Chef Omid Nouripour einräumte. "Wir sind im Bundesvorstand in der Gesamtschau nicht einig über die Beurteilung. Wir kommen zu verschiedenen Einschätzungen. Nichtsdestotrotz sind wir uns in den Einzelmaßnahmen sehr einig und wir sind uns vor allem einig, dass wir erstens bei all diesen Fragen der Asylpolitik die Menschen, die in Not sind und die Schutz suchen, der Europäischen Union in den Mittelpunkt unserer Politik stellen müssen." Umstritten war auch die Verteilung anerkannter Schutzsuchender auf die EU-Staaten. Diese soll künftig nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft eines Landes erfolgen. Länder, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, müssen eine Kompensation von 22.000 Euro pro Flüchtling zahlen.