Überall in Spanien knallten Sektkorken, unzählige Menschen tanzten, schrien und heulten auch vor laufenden TV-Kameras ungehemmt vor Freude. Wildfremde fielen sich in die Arme. Zwei Tage vor Heiligabend bescherte die weltberühmte Weihnachtslotterie dem Land einen noch nie dagewesenen Geldregen: Dieses Jahr wurde die Rekordsumme von gut 2,77 Milliarden Euro ausgeschüttet – 70 Millionen mehr als im Vorjahr.
Die vor mehr als 200 Jahren gegründete Lotterie gilt als die älteste der Welt und wird wegen der Gesamtsumme auch als größte Tombola bezeichnet. Allein der Hauptgewinn, genannt "El Gordo", "der Dicke", der vier Millionen Euro für ein ganzes Los vergibt, wird dieses Jahr 198 Mal ausgezahlt - fünfmal mehr als 2024. Hintergrund ist das besondere System: Jede der 100.000 Losnummern wird wegen der zunehmenden Nachfrage jedes Jahr immer häufiger aufgelegt und verkauft.
"Der Dicke" ließ dieses Jahr circa eineinhalb Stunden auf sich warten. Um Punkt 10.44 Uhr wurde im geschichtsträchtigen Madrider Opernhaus Teatro Real die Glücksnummer 79.432 gezogen und von zwei Schülerinnen des Internats San Ildefonso unter lautem Jubel und Applaus des Publikums vorgesungen. "Er ist da, der Dicke ist da!", rief die Kommentatorin des Fernsehsenders RTVE, der das mehrstündige Spektakel live übertrug.
Auch viele Notleidende unter den Gewinnern des "El Gordo"
Der große Geldsegen ging laut Medien unter anderem an mehrere Loskäufer in Madrid, aber auch an mehrere eher ärmere Dörfer der Region León, die dieses Jahr zudem von Waldbränden schwer in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Wie etwa die 10.000-Einwohner-Ortschaft La Bañeza. Dort jubelten vor den RTVE-Kameras vier junge Mädchen, deren Familien mehrere Lose des Hauptgewinns erworben hatten. "Wir haben hier eine wirklich harte Zeit hinter uns. Aber jetzt wird gefeiert!", rief eine von ihnen strahlend vor Freude.
Der zweite Preis über 1,25 Millionen war bereits 15 Minuten nach Beginn der Lotterie gezogen worden. Er ging an die Nummer 70.048. Prompt versammelten sich jubelnde Menschen mit Sektflaschen vor der Verkaufsstelle im Madrider Stadtviertel Chueca, die alle 198 Auflagen des Glücksloses verkauft hatte. "Das ist der Hammer, die Käufer sind mehrheitlich ganz normale Leute aus der Nachbarschaft", sagte der Verkaufsstellenbetreiber vor den RTVE-Kameras.
Das ist auch ganz im Sinne von Jesús Huerta, dem Leiter der spanischen Lotteriegesellschaft Loterias y Apuestas del Estado. Man betreibe Umverteilung und gleiche soziale Ungleichheit etwas aus, da alle Jahre wieder sehr viele notleidende Menschen unter den Gewinnern seien, sagte er.
Weihnachtslotterie als Ritual in Spanien
In der Tat: In Madrid freute sich der arbeitslose Sachbearbeiter Juan Manuel über 20.000 Euro für ein Zehntellos des 4. Preises. "Ich werde damit Schulden abbezahlen und vielleicht den ersten Urlaub mit meiner Frau nach fünf Jahren machen", sagte der 44-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in der Hauptstadt.
Einige setzten ihre Gewinne für das Gemeinwohl ein. Legendär sind mehrere Fälle. Bernardo Cerezo finanzierte zum Beispiel 1928 nach seinem Gewinn im andalusischen Carmona den Bau eines Theaters, Ángel Oliván errichtete 1932 in Calahorra in der Region La Rioja ein Krankenhaus und eine Schule.
Die Weihnachtslotterie ist in Spanien nicht nur Glücksspiel, sondern ein Ritual, das für die Spanier fest zur Vorweihnachtszeit gehört. Viele der rund 400 Glücklichen, die eine Eintrittskarte für das Teatro Real ergattern konnten, verfolgten verkleidet die Ziehung. Einige waren als Weihnachtsmann zu sehen, andere trugen bunte Perücken oder auch ein Weihnachtsbäumchen als Kopfbedeckung, andere die Tracht katholischer Geistlicher.
"Der Dicke" legt auch die Arbeit in zahlreichen Büros lahm
Die meisten fieberten allerdings vor den Fernsehgeräten mit. Sie verfolgten die Zeremonie zu Hause oder aber mit Freunden in Bars und Cafés. Auch in zahlreichen Büros ließ man die Arbeit am Vormittag einfach ruhen. Rund um das Teatro Real, aber auch anderswo auf den Straßen herrschte ausgelassene Partystimmung – auch unter denen, die diesmal leer ausgingen.
Insgesamt fließen 70 Prozent der Verkaufseinnahmen an die Gewinnerinnen und Gewinner. Diese Einnahmen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und liegen inzwischen bei knapp vier Milliarden Euro. Man kann ein ganzes Los für 200 Euro erwerben, oder sich mit einem oder zwei Zehntellosen für jeweils 20 Euro begnügen.
Viele Freunde, Familien, Arbeits- oder Vereinskollegen und auch die Bewohner ganzer Dörfer tun sich zusammen, um teilzunehmen und gemeinsam zu fiebern. Statistisch gesehen gab jeder Spanier in diesem Jahr 76,08 Euro aus, 2,20 Euro mehr als im Vorjahr.
Kleine Schulmädchen werden zu großen Stars
Das Prozedere ist immer gleich: Es gibt zwei Lostrommeln. In der ersten, größeren befinden sich 100.000 Holzkugeln mit den Losnummern, in der zweiten gut 1800 Holzkugeln mit den Gewinnsummen. Bei der Ziehung fallen immer gleichzeitig zwei Kugeln aus den beiden Trommeln in eine Glasschale.
Schülerinnen und Schüler des Madrider Internats San Ildefonso singen der Tradition folgend und in wechselnder Besetzung zu zweit alle Jahre wieder die gezogene Lottozahl und die Höhe des Preises vor. Die beiden, die den Hauptgewinn verkünden dürfen, fühlen sich auch als Sieger und werden auch kleine Berühmtheiten. Dieses Mal waren es die beiden Mädchen Alba Yadira und Italy Andrea, die den Hauptgewinn mehrfach und sichtlich bewegt vorsangen.
Ausländer können nach spanischem Recht mitspielen. Sie müssen aber entweder dort ihren Wohnsitz haben oder während des Kaufs im Land sein. Und wer gewinnt, muss auch ein Bankkonto in Spanien eröffnen, um den Gewinn erhalten zu können. Von Deutschland aus teilnehmen, etwa über das Internet, ist nach deutschem Recht illegal und kann erhebliche Strafen nach sich ziehen.