Blutbad in US-Schule "Tief bestürzt"

Die ersten Reaktionen nach dem Amoklauf eines US-Schülers in Minnesota: Schock, Fassungslosigkeit, Trauer. Das Massaker weckt bittere Erinnerungen an Erfurt.

Das blanke Entsetzen ist den Schülern ins Gesicht geschrieben, die ihrem Amok laufenden Mitschüler knapp entkommen sind. Vor der Red Lake High School im US-Bundesstaat Minnesota liegen sie sich weinend in den Armen. Dies ist eine kleine Gemeinschaft in einem abgelegenen Indianerreservat. An der Schule sind nur rund 350 Schüler, alle Angehörige des Stammes der Ojibwa. Jeder kennt jeden. Keiner kann es fassen, dass einer von ihnen sich zu einer so grausamen Tat hat hinreißen lassen.

Armut vergiftet die Atmosphäre

Die Stammesführer sind fassungslos. "Wir sind eine Gemeinschaft, die sehr eng zusammenhält", sagte Floyd Jourdain im US-Fernsehen. Doch wird am Tag nach dem Massaker deutlich, dass die Gemeinschaft seit Jahren mit Gewaltproblemen kämpft. Armut, Arbeitslosigkeit und Alkoholmissbrauch vergiften die Atmosphäre.

"Glaubst Du an Gott?" soll der Amokläufer Jeff Weise einem Mädchen irre lachend zugerufen haben, während er mit mindestens zwei Pistolen herumfuchtelte. Dann fielen Schüsse. Das Mädchen konnte in ein Klassenzimmer flüchten. Schülerin Sondra Hegstrom berichtete der Lokalzeitung, sie habe dem Jungen fassungslos in die Augen geblickt, ehe sie davonrannte. Ashley Morrison verbarrikadierte sich mit anderen in einem Klassenzimmer und hörte den Mitschüler wütend an der Tür rütteln. Panisch rief sie ihre Mutter per Handy an. "Mom, ich habe Angst", schrie sie. Die Mutter hörte am Telefon weitere Schüsse.

Beweggründe liegen noch im Dunkeln

Am Ende des halbstündigen Amoklaufs waren fünf Schüler tot, ebenso ein Wachmann eine Lehrerin und der Täter selbst. Zuvor hatte er schon seine Großeltern erschossen. Was den Jungen zu seinem Todeslauf trieb, lag am Dienstag noch weitgehend im Dunkeln. Seine persönlichen Lebensumstände waren nach Angaben von Nachbarn und Angehörigen aber desolat. Der Vater hatte Selbstmord begangen, die Mutter war nach einem Unfall mit Hirnschäden in einem Heim. Weise galt als Einzelgänger, der sich in Internetforen als Hitler-Bewunderer bezeichnet hatte.

Wie damals, der Schüler Robert S.

Der Amoklauf im US-Staat Minnesota weckt in Erfurt schlagartig die Erinnerung an das Blutbad im Gutenberg Gymnasium. Vor fast drei Jahren, am 26. April 2002, hatte der 19-jährige ehemalige Schüler Robert Steinhäuser in nur zehn Minuten zwölf Lehrer, die Schulsekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten erschossen, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete.

Die schwerste Bluttat, die überhaupt jemals in einer Schule geschah, war nicht im Affekt begangen worden, sondern war eine vorausgeplante, kaltblütige Massenhinrichtung, als sei es ein Computerspiel mit richtigen Menschen gewesen. Bis heute kennt man die letzten Gründe des 19-Jährigen nicht. Hass und Rache, gepaart mit Größenwahn, so etwa sahen die Profiler vom Bundeskriminalamt Steinhäusers Tatmotive.

Erfurter Bürgermeister gedenkt der Opfer

"Ich war tief bestürzt, als ich heute von der furchtbaren Bluttat in Red Lake erfuhr", sagte Erfurts Oberbürgermeister Manfred Ruge. "Wir sind dabei, den dritten Jahrestag zum Gedenken an die Opfer vorzubereiten. Wir bemühen uns, den Alltag wieder einziehen zu lassen, doch bei einer solchen Nachricht ist alles wieder gegenwärtig, als wäre es jetzt und hier."

Ruge schrieb gleich am Dienstag einen Brief an seinen Amtskollegen Floyd Jourdain, in dem er Hilfe der Stadt Erfurt bei der Aufarbeitung der furchtbaren Erlebnisse anbot. Neben Littleton, wo 1999 an der Columbine High School ein ebenfalls schrecklicher Amoklauf zweier Schüler geschah, habe nur die Stadt Erfurt wirklich Erfahrungen, eine solch unfassbare Katastrophe aufzuarbeiten, schrieb Ruge.

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