Weltkatzentag Umzug zum geheimen "Streunerplatz" – wie Tierschützer in Hamburg Straßenkatzen helfen

Hamburg wilde Katze in der Box
Eine von Tausenden verwilderten Katzen in Hamburg. Dies ist der Tag ihres Umzugs an einen "Streunerplatz". Dort lebt das Tier gemeinsam mit anderen Katzen künftig in Freiheit, wird aber regelmäßig gefüttert.
© Annette Berger
Tausende Straßenkatzen streifen durch Hamburg. Sie sind scheu und meist unterernährt, manche sind krank. Aber manchmal haben sie Glück und dürfen an einen Futterplatz umziehen. So wie diese vier Tiere.

Es sind zierliche, verängstige Wesen, die an diesem heißen Sommertag einzeln in Transportboxen hocken: Vier Straßenkatzen sollen an einen geheimen Ort gebracht werden, irgendwo in Hamburg. Das Areal mitten im Grünen wird künftig ihr neues Zuhause und ihr Futterplatz sein – möglichst für immer.

Dass es an jenem Ort schön und friedlich ist, ahnen die vier Katzen im Alter von schätzungsweise eineinhalb bis vier Jahren nicht. Im Augenblick sind sie damit beschäftigt, Angst zu haben. Vielleicht hoffen sie, dass nichts Schlimmes passiert.

Denn was schlimm ist, wissen sie schon: Sie wissen, was Hunger ist, wie man verscheucht wird. Und wie viel Schmerz eine Kugel aus einem Luftgewehr bedeutet.

Eines der Tiere wurde mit einer Schusswunde im Stadtgebiet aufgegriffen, erzählt eine der insgesamt vier Freiwilligen vom Hamburger Tierschutzverein, die an diesem Tag bei der Umsiedlungsaktion helfen. Die Katze wurde im Tierheim in der Süderstraße gesund gepflegt. Jetzt ist sie kräftig genug, um zusammen mit ihren drei Gefährten umzuziehen – an einen "Streunerplatz".

Hamburg: ein mobiles gehege
In diesem mobilen Gehege in Hamburg leben die verwilderten Katzen ein paar Wochen. Wenn sie sich an Ort und Futter gewöhnt haben, dürfen sie hier in die Freiheit.
© Annette Berger

So nennt der Tierschutzverein der Hansestadt Orte im Freien, an denen verwilderte Hauskatzen in kleinen Gruppen angesiedelt und von Freiwilligen regelmäßig mit Futter versorgt werden. Diese Tiere sind Straßenkatzen, die oftmals völlig ohne den Kontakt zu Menschen geboren wurden und aufgewachsen sind. Keine Chance, dass sie einmal zahm werden. Von diesen vier Katzen könnte keine als Haustier vermittelt werden.

Nicht nur in Hamburg gibt es viele Orte, an denen Straßenkatzen leben

Immer wieder erfährt der Tierschutzverein, wo im Stadtgebiet wilde Katzen leben – vermutet werden allein in Hamburg an die 10.000 solcher Tiere. In den meisten Fällen sind sie krank, unterernährt und vermehren sich unkontrolliert. Gelingt es den Tierschützern, sie einzufangen, können sie an einem "Streunerplatz" untergebracht werden.

Die Umsiedlungsaktionen sind aufwendig: Erst werden die Straßenkatzen eingefangen, kastriert und im Tierheim eine Zeit lang versorgt. Dann müssen sie über Wochen an ihr neues Zuhause im Freien gewöhnt werden, damit sie nicht weglaufen.

Tag eins einer solchen Eingewöhnung ist heute. Dafür setzt sich in diesem Moment die kleine Gruppe mit den vier Katzen-Transportboxen in Bewegung. Nach einem kurzen Fußmarsch ist das Ziel erreicht – ein großer Käfig mitten in der Wildnis, so hoch, dass ein Mensch darin bequem stehen kann.

Vier wilde Katzen in Boxen in Hamburg
Ihr seht uns nicht, aber wir sehen euch! Diese vier verwilderten Katzen wurden im Stadtgebiet in Hamburg von Mitarbeitern des Tierschutzvereins eingefangen, kastriert und versorgt.
© Annette Berger

Am Tag zuvor hatte eine Gruppe von acht Freiwilligen dieses mobile Gehege aufgebaut, auf dem Grundstück eines Tierfreundes. Immer wieder sucht der Tierschutzverein nach Menschen, die Areale für die Versorgung von Straßenkatzen anbieten. Das können Wiesen sein, große Gärten oder Bereiche auf Firmengrundstücken. Der ruhige Platz hier fernab vom Straßenverkehr ist besonders schön.

Erst für ein paar Wochen im Gehege, dann in die Freiheit

"Käfig" klingt jetzt weniger gemütlich, als es ist. Denn das Gehege ist geräumig, hat Schlafplätze und Katzentoiletten. Schön schattig ist es hier, mit dunklen abgeteilten Bereichen, in denen sich die Katzen verstecken können.

Und das tun die vier auch sofort, nachdem sie aus ihren Boxen in das Gehege entlassen wurden. Sie zischen vorbei an den zwei prall gefüllten Futternäpfen. Die lassen sich schließlich auch noch später erkunden, wenn die Menschen gegangen sind.

An welchem Ort sich dieser Streunerplatz befindet, hält der Tierschutzverein geheim – aus Angst davor, dass er zerstört wird. "Es gibt Menschen, die Straßenkatzen verachten", sagt Stefanie Bauche vom Hamburger Tierschutzverein. Sie ist eine der Ehrenamtlichen, die sich um die verwilderten Katzen an diesem Platz kümmern. In der Vergangenheit seien schon Orte bekannt geworden, sagt sie. "Da gab es Vandalismus."

Futter, Katzentoiletten und viel Platz im mobilen Gehege
Futter, Katzentoiletten und viel Platz: Die Katzen haben sich in dem mobilen Gehege aber erstmal versteckt.
© Annette Berger

So unbekannt wie die Standorte der "Streunerplätze" hier in Hamburg sind, so wenig herumgesprochen hat sich die Tatsache, dass es überhaupt Straßenkatzen hierzulande gibt. Der Deutsche Tierschutzbund geht von einer siebenstelligen Zahl in Deutschland aus, möglicherweise um die zwei Millionen. In Hamburg wächst die Zahl der heimatlosen Katzen, zuletzt auch, weil immer wieder Tiere ausgesetzt werden.

"Es gibt viele Streuner in Hamburg – das glaubt einem keiner", sagt Bauche. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Tierschutzverein Hamburg kennen viele Orte in der Hansestadt, wo solche verwilderten Hauskatzen leben, die oftmals flüchten oder sich verstecken, sobald sie einen Menschen sehen. Viele dieser Tiere leben ein elendes Dasein im Verborgenen.

Ein Grund für das – wachsende – Problem der Streuner sei, dass manche Menschen ihre Freigänger-Katzen nicht kastrieren lassen, sagt Bauche. Da gebe es dann einen "ständigen Nachschub" an wilden Kätzchen.

In Hamburg kämpfen die Tierschützer seit Jahren für eine Katzenschutzverordnung, die Halter dazu zwingen soll, ihre Tiere kastrieren, chippen und registrieren zu lassen. Andere Regionen in Deutschland – darunter Niedersachsen und Berlin – haben bereits entsprechende Vorschriften, die das Tierleid deutlich eindämmen können.

Und dieses Leid ist immens, was auch an diesen vier Tieren deutlich wird, die mit ihrem neuen Zuhause noch vergleichsweise viel Glück haben. Sie sind noch immer dünn, litten unter Mangelernährung und an dadurch ausgelösten Krankheiten, wie Gingivitis, also Entzündungen des Zahnfleischs. All das wurde im Tierheim behandelt.

Langsames Eingewöhnen mit regelmäßigem Futter

In den kommenden Wochen sollen sie sich daran gewöhnen, dass sie an diesem Ort gefüttert werden. Danach wird das Gehege abgebaut, die vier dürfen sich dann frei bewegen. Später werden hier noch kleine Hütten aufgestellt, in denen die Tiere schlafen können und vor Wind und Wetter geschützt sind. Ausreichend Futter und warme Schlafplätze – für Straßenkatzen eine große Hilfe, um zu überleben.

Dass Katzen sich selbst ernähren können, sei ein weit verbreiteter Irrglaube, sagt Tierschützerin Bauche: "Eine Katze, die sich ausschließlich von Mäusen ernähren müsste, würde verhungern."

Das Hungern gehört für diese vier Katzen der Vergangenheit an, das zeigt ein Besuch im Gehege am nächsten Tag: "Die Katzen haben über Nacht ordentlich gefuttert", berichtet Bauche. "Was wir gestern hingestellt hatten, war heute früh leer". Der erste Schritt ist also getan für diese vier Straßenkatzen an ihrem neuen "Streunerplatz".

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