Im bislang größten Prozess nach dem umstrittenen nationalen Sicherheitsgesetz sind in Hongkong am Donnerstag 14 Demokratie-Aktivisten schuldig gesprochen worden. Unter ihnen waren die früheren Abgeordneten Leung Kwok Hung, Lam Cheuk Ting, Helena Wong und Raymond Chan. Ihnen droht lebenslange Haft. Das Strafmaß wird erst zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Zwei weitere Ex-Parlamentarier sprach das Gericht frei.
Insgesamt waren 47 Menschen angeklagt, weil sie sich vor drei Jahren an den inoffiziellen Vorwahlen der prodemokratischen Opposition beteiligt haben, unter ihnen der Rechtswissenschaftler Benny Tai, der ehemalige Studentenführer Joshua Wong und ein Dutzend ehemalige Abgeordnete. Die Staatsanwaltschaft macht es ihnen zum Vorwurf, dass sie bei Wahlen eine Mehrheit im Parlament angestrebt haben, um die Regierung zu stürzen.
Urteilsverkündung in Hongkong: Opposition wollte "ungesetzliche Mittel" anwenden
Das Gericht erklärte, die Angeklagten hätten die Regierung mit einem Veto der Parlamentsmehrheit gegen den Haushalt zum Rücktritt zwingen wollen. Dies komme einer "schwerwiegenden Einmischung, Störung oder Untergrabung der Erfüllung von Aufgaben und Funktionen" durch die Regierung Hongkongs gleich. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Opposition "ungesetzliche Mittel" anwenden wollte. Das müssten nicht notwendigerweise kriminelle Aktivitäten sein, um einen Schuldspruch zu rechtfertigen.
Nach dem Hongkonger Grundgesetz kann der Regierungschef das Parlament auflösen, falls wichtige Gesetzesentwürfe wie der Haushalt nicht gebilligt werden. Legt ein neues Parlament dann wieder ein Veto gegen den Haushalt ein, muss er zurücktreten.
31 Angeklagte haben sich der Verschwörung zur Subversion schuldig bekannt und damit die Chance auf kürzere Haftstrafen.
Viel Kritik aus der Opposition: "Wir haben nicht aufgegeben"
Vor der Gerichtsanhörung am Donnerstag wurde die Chefin der prodemokratischen Partei LSD, Chan Po Ying, sowie drei weitere Parteimitglieder festgenommen, als sie ein Protestbanner hochhalten wollten, wie einer ihrer Parteikollegen mitteilte. Chan Po Ying ist die Ehefrau des am Donnerstag verurteilten Leung Kwok Hung.
Dutzende Menschen standen bereits vor 6 Uhr vor dem Gerichtsgebäude, um einen Platz auf der Besuchertribüne zu ergattern. Die Ersten in der Schlange waren schon am Vorabend gekommen. Die Anhörung sei ein historischer Augenblick, sagte eine Person, die aus Angst vor staatlichen Repressalien ihren Namen nicht nennen wollte. "Die Hongkonger sind immer noch hier. Wir haben nicht aufgegeben. Wir sind immer noch bei euch allen", sagte die Person.
Nach Ansicht von Beobachtern zeigt der Prozess, wie die Hongkonger Justiz das Sicherheitsgesetz nach den Demokratie-Protesten im Jahr 2019 nutzt, um die Opposition zu unterdrücken. Die Regierungen in Peking und Hongkong betonen hingegen, das vor vier Jahren erlassene Gesetz habe dazu beigetragen, die Stabilität in der Stadt wiederherzustellen und die Unabhängigkeit der Justiz zu schützen.
China forderte internationale Kritiker auf, sich nicht einzumischen
International war der Prozess aufmerksam verfolgt worden. Im Gericht waren auch diplomatische Vertreter der Konsulate Großbritanniens, Frankreichs, der Europäischen Union und Italiens anwesend. Die britische Regierung habe ihre Besorgnis "über die Aushöhlung einer bedeutenden politischen Opposition in Hongkong deutlich zum Ausdruck gebracht", wie dieser Fall zeige, erklärte das britische Generalkonsulat gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils erhob die Regierung in Australien "entschiedene Einwände" dagegen. Unter den Verurteilten befindet sich auch ein australischer Staatsbürger. "Wir sind zutiefst besorgt über die heute ergangenen Urteile", erklärte Australiens Außenministerin Penny Wong, "einschließlich des Schuldspruchs für den australischen Staatsbürger Gordon Ng". Ihre Regierung "ihre konsularischen und menschenrechtlichen Bedenken regelmäßig und auf höchster Ebene direkt bei den Regierungen Hongkongs und Chinas" vorbringen.
China forderte internationale Kritiker der sogenannten Hongkonger Sicherheitsgesetze indes auf, sich nicht weiter einzumischen. "Wir raten den einzelnen Ländern und Politikern, der Realität ins Auge zu sehen, eine objektive und unparteiische Haltung einzunehmen ... und sich nicht weiter in die Angelegenheiten Hongkongs und Chinas einzumischen", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums in Hongkong.