Die Regierung von US-Präsident George W. Bush war internen Aufzeichnungen zufolge schon Tage vorher über die massive Bedrohung durch den Hurrikan "Katrina" informiert. Auf Videoaufzeichnungen von internen Besprechungen vor dem Wirbelsturm am 29. August 2005 ist zu sehen, wie Vertreter der Katastrophenschutzbehörde FEMA eindringlich vor verheerenden Auswirkungen für die Golfküste warnen. "Katrina" überflutete weite Teile von New Orleans weitgehend unter Wasser, etwa 1.300 Einwohner kamen ums Leben. Die Stadt hat sich von der Katastrophe noch immer nicht völlig erholt.
In einer Lagebesprechung am 28. August - einen Tag, bevor "Katrina" die Küste der US-Staaten Louisiana und Mississippi erreichte - zeigte sich ein Hurrikan-Experte äußerst besorgt darüber, ob die Dämme von New Orleans den Sturmfluten standhalten könnten. Der damalige FEMA-Chef Michael Brown brachte gegenüber Bush und Heimatschutzminister Michael Chertoff die Befürchtung zum Ausdruck, dass es möglicherweise nicht genügend Rettungskräfte gibt, um den Flüchtlingen im Footballstadion Superdome zu helfen. Er sei besorgt, ob die Rettungskräfte "auf eine Katastrophe innerhalb einer Katastrophe" reagieren könnten, sagte Brown auf einem der Bänder, die ebenso wie Sitzungsprotokolle von insgesamt sieben Tagen der Nachrichtenagentur AP vorliegen. Bush erwiderte jedoch, die Behörden seien "bestens vorbereitet".
Er flehte seine Kollegen regelrecht an
Die Aufzeichnungen belegen, dass Experten auf lokaler und Bundesebene die Bedrohungen durch den Hurrikan eingehend diskutiert hatten. Ihnen war ganz offensichtlich klar, dass der Sturm enorme Verwüstungen zur Folge haben würde. Bush erklärte vier Tage nach "Katrina" dagegen, niemand habe den Dammbruch in New Orleans vorhergesehen. Später korrigierte er sich dahingehend, dass die Behörden zunächst fälschlicherweise angenommen hätten, die Dämme seien nicht beschädigt worden.
Den Protokollen zufolge wurde über einen Dammbruch jedoch heftig diskutiert, und auch Bush hatte sich besorgt gezeigt: "Ich habe heute zwei Mal mit dem Präsidenten gesprochen, einmal in (seiner Ranch in) Crawford und dann noch einmal an Bord der (Präsidentenmaschine) Air Force One", sagte Brown. Bush habe "Fragen zu den Berichten über die Deiche" gestellt. An den Gesprächen waren auch der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses, Joe Hagin, und die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, beteiligt. In der letzten Lagebesprechung vor dem Eintreffen von "Katrina" zeigte sich Brown außerdem besorgt über die Vorbereitungen der Regierung zum Katastropheneinsatz. Der FEMA-Chef flehte seine Kollegen regelrecht an, alles nur Mögliche zu unternehmen, um den Betroffenen zu helfen. Die Bundesbehörden müssten sich notfalls über Regelungen hinwegsetzen: "Macht es", forderte Brown. "Ich werde einen Weg finden, es zu rechtfertigen."
Sorge wegen mangelnder Evakuierungsmöglichkeiten
Der Leiter des Nationalen Hurrikan-Zentrums, Max Mayfield, erklärte damals, aufgrund von Computersimulationen des Hurrikans seien zwar nur geringe Überflutungen in New Orleans zu erwarten, später könnten Windböen und Sturmfluten jedoch dazu führen, dass die Dämme der Stadt brechen.
Andere Experten äußerten sich besorgt, dass viele Einwohner noch nicht evakuiert worden seien. "Sie bringen keine Patienten aus den Krankenhäusern, keine Häftlinge aus den Gefängnissen und sie lassen die Hotels in der Innenstadt geöffnet", kritisierte Brown. Sorge bereitete Brown auch der bauliche Zustand des Superdomes, in den tausende Menschen flüchteten. Das Gebäude liege unter dem Meeresspiegel, und er sei nicht sicher, ob das Dach einem Hurrikan der Kategorie fünf standhalten könne.
Das Weiße Haus will die Aufzeichnungen nicht überbewerten
Das Weiße Haus und das Heimatschutzministerium forderten die Bevölkerung auf, die Aufzeichnungen nicht überzubewerten. Der Sprecher des Weißen Hauses, Trent Duffy, erklärte, aus einer einzigen Lagebesprechung dürfe man nicht zu viele Schlüsse ziehen. Bush habe an mehreren Konferenzen zu "Katrina" teilgenommen, betonte er. Das Heimatschutzministerium ließ mitteilen, die meisten Protokolle seien schon vor Monaten dem Kongress für Ermittlungen zur Verfügung gestellt worden, sie enthielten nichts Neues.