Damit hatte wohl keiner bei Heights Libraries gerechnet, als in der Bücherei im US-Bundesstaat Ohio ein "seltsam geformtes Paket" eintraf: In der Sendung befand sich das Bob-Dylan-Album "Self Portrait" – ausgeliehen im Juni 1973.
Heutzutage wissen viele Teenager gar nicht mehr, was eine Langspielplatte überhaupt ist. Howard Simon ist dagegen mit Vinylscheiben und Plattenspielern aufgewachsen, und besonders eine LP hat ihn für sehr lange Zeit in seinem Leben begleitet – obwohl sie ihm gar nicht gehörte.
Vor 48 Jahren lieh Simon sich in der Bibliothek Heights Libraries in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio das Bob-Dylan-Doppelalbum "Self Portrait" aus, wie US-Medien berichten. Irgendwann zog er aus Ohio weg, zunächst nach Chicago, dann nach Santa Fe, Los Angeles, Berkeley, zurück nach Chicago, zurück nach Berkeley, wieder nach Chicago, weiter nach Sacramento und heute lebt er fast 3.500 Kilometer von Cleveland entfernt in San Francisco, im US-Bundesstaat Kalifornien. Die LP machte jeden seiner Umzüge mit, bis Simon in den Ruhestand ging, sich an sie erinnerte und die Langzeit-Leihgabe jetzt schließlich an die Bücherei zurückschickte.
Bob-Dylan-Album 17.480 Tage überfällig
"Als frischgebackener Rentner ergreife ich die Gelegenheit, meine Aufmerksamkeit auf einige der vielen Episoden des Lebens zu richten, die aufgrund von Karriere und Familie in diesen vielen Jahren vernachlässigt wurden", schrieb Simon in einem Brief an Heights Libraries.
"In diesem Zusammenhang gebe ich mit diesem Brief ein überfälliges Exemplar zurück (nach meiner Zählung zum Zeitpunkt dieses Schreibens etwa 17.480 Tage überfällig), das ich im Frühjahr 1973 aus der Bibliothek ausgeliehen habe, als ich 14 Jahre alt war und in die achte Klasse der Wiley-Mittelschule ging. Es ist also ganz schön verspätet, und es tut mir ganz schön leid!"
Das Album sei in keinem besonders guten Zustand gewesen, als er es ausgeliehen habe, und es habe in seinem Besitz nicht viel mehr "Verschleiß" erlitten, versicherte Simon. "Das ist vor allem deshalb so, weil 'Self Portrait' zu den am wenigsten geliebten Alben Dylans gehört ... und das Exemplar aus der Bibliothek die meisten dieser vielen Jahrzehnte in meiner Sammlung verbracht hat, eingezwängt zwischen seinem Vorgänger und seinem Nachfolger ("Nashville Skyline" bzw. "New Morning"), die weitaus hörenswerter waren und sind."
Eine andere Seite von Bob Dylan
1970 hatte der New Yorker Fotograf John Cohen die Gelegenheit, sehr persönliche Fotos von Bob Dylan machen zu dürfen, der damals als der größte lebende Musiker galt. Die Begegnung fand in Putnam Valley im Bundestaat New York statt. Und sie zeigen den Musiker als einfachen Mann vom Lande. Das entspricht auch seiner musikalischen Entwicklung. Dylan hatte sich 1966 aus der Rockwelt zurückgezogen und seine Fans 1969 mit der Country-Platte "Nashville Skyline" überrascht - einer Musikrichtung die damals vielen als reaktionär galt, die aber Dylans einfaches Land- und Familienleben jener Jahre widerspiegelte. John Cohen kannte Dylan bereits seit 1962, wo er ihn im New Yorker Stadtteil Greeenwich Village fotografierte.
Der reuige Rentner fügte einen Scheck über 175 Dollar an die Bibliothek bei, als Sühne für seine, wie er es nannte, kleine Übertretung "angesichts der Schwäche des Albums."
Sara Philips, Leiterin der Heights-Libraries-Zweigstelle, an die Simon die Schallplatte zurückschickte, nahm die Rekordverspätung mit Humor. Sie habe einen Routinetag gehabt, als ein seltsam geformtes Paket mit der Post gekommen sei, berichtete Philips auf Instagram. "Ich bekam ein Paket mit der Post aus San Francisco, das die Form einer Schallplatte hatte und – siehe da! – es enthielt eine Platte aus unserer Sammlung, die im Juni 1973 fällig war!"
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In der Sendung habe sich außerdem ein Exemplar von Simons eigenem Album mit dem Titel "Western Reserve" befunden, berichtete Heights Libraries weiter. Es habe sich herausgestellt, "dass er selbst Musiker ist und bereits mehrere Alben aufgenommen hat, zweifellos inspiriert von Bob Dylan". Die Bibliothek prüfe nun, ob "Western Reserve" in die eigene Musiksammlung aufgenommen werden könne.
"Das Lustige an der Sache ist, dass wir keine Mahngebühren mehr erheben – solange wir den Artikel zurückbekommen, sehen wir keine Notwendigkeit, die Leute zu bestrafen", so Philips. "Wir sind dankbar, dass Mr. Simon die Platte zurückgegeben hat. Ich würde sagen, wir sind jetzt quitt."