Die Staatsanwaltschaft München I hat gegen eine in Bayern ansässige Firma Anklage wegen des Verkaufs einer Überwachungssoftware zur Ausspähung der türkischen Opposition erhoben. Vier früheren Geschäftsführern der FinFisher-Unternehmensgruppe in München wird gewerbsmäßiger Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Einer der Beschuldigten war zudem Finanzchef und für die Exportkontrolle der Firmengruppe zuständig.
Die FinFisher-Gruppe entwickelte und vertrieb als eines der weltweit führenden Unternehmen Software zum Einsatz durch Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste. Mit der als FinSpy bezeichneten Spähsoftware war es demnach möglich, die volle Kontrolle über Computer und Smartphones zu erlangen und dabei die laufende Kommunikation zu überwachen.
Strafanzeige von NGOs
Angestoßen wurden die Ermittlungen laut Staatsanwaltschaft durch eine Strafanzeige von vier Nichtregierungsorganisationen, die sich für Pressefreiheit und Menschenrechte einsetzen. Von ihnen vorgelegte Analysen von IT-Experten kamen zu dem Schluss, dass die Überwachungssoftware FinSpy im Jahr 2017 über eine gefälschte Webseite der türkischen Oppositionsbewegung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Download angeboten wurde, um diese auszuspähen.
Seit 2015 ist die Ausfuhr von Überwachungstechnologien aus der Europäischen Union genehmigungspflichtig. Auch die von FinFisher entwickelte Software fiel laut Anklage darunter. Weil dies für die Gruppe "eine existenzielle Gefährdung" bedeutet habe, soll das Unternehmen Lieferungen verschleiert und ohne Genehmigung über eine in Bulgarien ansässige Gesellschaft abgewickelt haben.
Konkret soll das Unternehmen Ende Januar 2015 einen Vertrag über die Lieferung von Überwachungssoftware, Hardware, technischer Unterstützung und Schulungen in die Türkei im Wert von mehr als fünf Millionen Euro geschlossen haben. Empfänger sei der türkische Geheimdienst MIT gewesen.