Heartbeat Law Texanerin wegen Mordes durch "selbst herbeigeführte Abtreibung" angeklagt – erst am Folgetag kam sie wieder frei

Demonstrierende in Texas
"Leg dich nicht mit texanischen Frauen an": Demonstrant:innen protestieren im Mai vergangenen Jahres vor dem Kapitol in Austin gegen das Abtreibungsgesetz in Texas
© Sergio Flores / Getty Images
Eine Frau aus Texas, die des Mordes wegen einer Abtreibung angeklagt wurde, kam inzwischen wieder frei. Frauenrechtsorganisation warnen jedoch davor, dass sich Fälle wie dieser in Zukunft häufen könnten.

Ein Beamter des Sheriffbüros von Südtexas gab am Samstag die Festnahme einer 26-jährigen Frau wegen Mordes im Zusammenhang mit dem "Tod einer Person durch eine selbst herbeigeführte Abtreibung“ bekannt. Die Frau, Lizelle H., sei am Vortag festgenommen und im Bezirk Starr County inhaftiert worden. 

H. wurde laut einer Erklärung des Frontera Fund, einer Organisation für Abtreibungsrechte, erst am Folgetag gegen Kaution wieder freigelassen. Diese wurde auf 500.000 Dollar (circa 459.000 Euro) festgesetzt. Die Umstände des Falls sind insoweit dubios, als nicht klar wurde, ob H. eine Abtreibung (bei sich selbst) durchführte, oder – was juristisch einen Unterschied macht – eine Abtreibung (einer anderen Person) unterstützt haben soll. Das Sheriffbüro bezieht sich jedenfalls auf eine kürzlich in Texas ergangene Gesetzesverschärfung im Bereich Abtreibung.

Geltendes Heartbeat Law in Texas

Das texanische Abtreibungsgesetz, das "Heartbeat Law" ("Herzschlag-Gesetz"), verbietet die Abtreibung ab der sechsten Schwangerschaftswoche. Seinen Namen erhielt es, da Schwangerschaftsabbrüche verboten sind, sobald das rhythmische Zusammenziehen des fetalen Herzgewebes festgestellt werden kann. Treffen könnte das zum Beispiel Ärzt:innen und Pflegepersonal, aber zum Beispiel auch Eltern, die ihrem Kind Geld für den Schwangerschaftsabbruch zur Verfügung stellen oder jemanden, der eine Betroffene zu einer Abtreibungsklinik fährt. Das Gesetz gilt auch für Schwangerschaften, die durch Inzest oder Vergewaltigung entstanden sind. Eine Ausnahme gibt es nur für medizinische Notfälle.

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Das Heartbeat Law überlässt die Durchsetzung jedoch quasi seinen Bürgern, indem jeder und jedem eine Belohnung von mindestens 10.000 US-Dollar für eine "erfolgreiche" Anzeige wegen Verstoßes gegen das Gesetz geboten wird. Frauenrechtsorganisationen befürchten deshalb eine regelrechte Jagd auf alle, die Schwangere bei Abtreibungen unterstützen. Die anzeigenden Bürger erhalten im Falle einer Verurteilung also mindestens 10.000 Dollar, die vom Verurteilten zu zahlen sind. Doch genau hier liegt in H.s Fall der Knackpunkt. Durch den Weg der "Belohnung" wählte Texas den zivilrechtlichen Weg im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen und ausdrücklich nicht den strafrechtlichen, welcher für Taten wie Mord etc. einschlägig wäre.

Laut "New York Times" wurde H. jedoch wegen Mordes angeklagt, nachdem sie "vorsätzlich und wissentlich“ den Tod einer Person durch selbst herbeigeführte Abtreibung verursacht haben sollte. Nach einigem Hin und Her wurde H. am Folgetag wieder freigelassen, als der örtliche Staatsanwalt den Fall schließlich doch eingestellt hatte. "Die [strafrechtlichen] Probleme im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit sind eindeutig umstritten“, sagte Staatsanwalt Gocha Allen Ramirez. "Aufgrund des texanischen Rechts und der vorgelegten Tatsachen handelt es sich jedoch nicht um eine strafrechtliche Angelegenheit.“ Der Staatsanwalt fügte hinzu: „Frau Herrera hat keine Straftat nach den Gesetzen des Bundesstaates Texas begangen.“

Beamte verletzten eventuell Strafgesetze

Ramirez' Aussage korreliert mit der Ansicht von Rechtsexperten und Frauenrechtlerinnen, die sagen, dass die Verhaftung von Herrera gar nicht erst hätte stattfinden dürfen. Die Beamten des Sheriff-Büros werden sich nun möglicherweise selbst strafrechtlich verantworten müssen, da sie H. ihrer Freiheit beraubten.

"In Texas gibt es kein Gesetz, das es erlaubt, Menschen mit Fehlgeburten, Totgeburten oder Abtreibungen als Mörder zu behandeln", sagte Lynn Paltrow, Geschäftsführerin der National Advocates for Pregnant Women im Gespräch mit dem "Guardian". H.s sehr undurchsichtiger Fall dürfte jedenfalls nicht der letzte sein, in dem es um die Auslegung des äußerst umstrittenen  Heartbeat Law in Texas geht.

km

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