Wenn Katzen unter einer Krankheit leiden, erkennen es ihre Besitzer oftmals recht spät. Denn die Tiere sind wahre Meister darin, Schmerzen zu verbergen und keine Anzeichen von Schwäche zu zeigen. Manche Fachleute sprechen gar von einem "Pokerface".
Künftig könnte Künstliche Intelligenz (KI) bei einer frühzeitigen Diagnose helfen: In einem gemeinsamen Projekt arbeiten Forscherinnen und Forscher aus Deutschland und Israel derzeit an KI-Programmen, die Gesichter von Katzen analysieren sollen, um Hinweise auf Schmerzen zu finden. Die Fachleute hoffen, praktische Hilfen für die Tiermedizin und auch für Privatleute zu entwickeln, beispielsweise in Form von Apps, mit denen Katzengesichter fotografiert und analysiert werden können.
Dass sich im Gesicht von Katzen Unwohlsein erkennen lässt, ist zwar seit Langem bekannt. So zeigen die Tiere ein "Schmerzgesicht", lassen also Veränderungen beispielsweise in der Mimik und in der Haltung der Ohren erkennen. Ein solches Verhalten ist auch von anderen Tieren bekannt, etwa von Kaninchen. Doch die Abweichungen zu einem "normalen" Gesichtsausdruck sind minimal und nicht einfach zu deuten.
Software wird auf Mimik von Katzen trainiert
Menschen brauchen sehr viel Übung und Erfahrung, um in "Schmerzgesichtern" von Tieren zu lesen. Auch sind menschliche Einschätzungen oft subjektiv. Ein Team von Fachleuten aus der KI und der Tiermedizin hat in den vergangenen Monaten zwei Algorithmen entwickelt, durch die per Mimik-Analyse erkannt werden soll, ob Katzen gerade Schmerzen empfinden. Das berichten mehrere Wissenschafts-Medien sowie die beteiligten Forschungsinstitute.
"Künstliche Intelligenz (KI) bietet große Chancen, um Schmerzen bei Katzen besser erkennen und Behandlungen so schonender durchführen zu können", schreibt die Tierärztliche Hochschule Hannover. Die Stiftung der Einrichtung (TiHo) sowie das Information System Department der Universität Haifa in Israel arbeiten bei diesem Projekt zusammen.
Die neuen KI-Programme seien derzeit in der Lage, in bis zu 77 Prozent der Fälle die Mimik der Haustiere richtig zu deuten, meldete die Seite "Spektrum.de" in dieser Woche und berief sich dabei auf eine exklusive Übersetzung aus dem Fachjournal "Scientific American".
"Die KI kann mehr sehen als das bloße menschliche Auge, weil sie empfindlich auf subtile Details reagiert", zitiert "Spektrum.de" die israelische Informatikerin Anna Zamansky.
Wie bei anderen KI-Programmen auch, benötigte das internationale Team zunächst jede Menge Daten, mit denen die Software gefüttert wurde. Den Berichten zufolge wurden dafür mehr als 80 Katzen an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover fotografiert. Die Tiere waren unterschiedlich alt und hatten verschiedene Krankheiten.
Neue Software hat eine schon recht hohe Trefferquote
Zwei unterschiedliche KI-Programme analysierten die Mimik, etwa die Anspannung der Gesichtsmuskulatur. Die Forscherinnen und Forscher vergleichen die Ergebnisse der KI mit den klinischen Daten, die sie über die Tiere gesammelt hatten.
Eines der beiden Programme habe eine Trefferquote von 65 Prozent gehabt, um Schmerzen in den Tiergesichtern zu erkennen, das andere von 77 Prozent, heißt es in den Beschreibungen der Forschung, über die bereits im vergangenen Sommer berichtet wurde. "KI-Systeme bieten uns in der tierärztlichen Praxis eine Riesenchance, die Versorgung von Katzen zu verbessern", sagte die Professorin Sabine Kästner, die an dem Projekt beteiligt ist.
Spannend war für das Team, dass vor allem die Nasen- und Mundregion für die maschinelle Schmerzklassifikation eine Rolle spielten, wie es in der Beschreibung der Forschung von den Hannoveraner Wissenschaftlern heißt. Die Stellung der Ohren, auf die eigentlich beim "Schmerzgesicht" und bei anderen Klassifikationen geachtet wurde, sei weniger wichtig.
Jetzt hoffen die Forscherinnen und Forscher, alltagstaugliche Programme für Katzenbesitzer und Veterinäre zu entwickeln. Allerdings ist noch nicht absehbar, wann Tierärzte ihre Patienten mit Hilfe solcher KI-gestützter Methoden behandeln können.
Quellen: "Spektrum.de", Tierärztliche Hochschule Hannover, "Scientific Reports", "Scientific American"
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