Stimmt es, dass sich der Bodensee mit Grönlands Schmelzwasser fast 100-mal füllen ließe?
Es stimmt. Der Klimawandel verändert die größte Insel der Welt. Sein gigantisches Eisschild schmilzt in einem rasanten, bislang ungekannten Tempo: Satellitendaten zufolge hat es allein in den vergangenen 20 Jahren 4700 Gigatonnen verloren. Mit dem Schmelzwasser ließe sich der knapp 50 Gigatonnen fassende Bodensee also tatsächlich etwa 94-mal füllen.* Den weltweiten Meeresspiegel hat es um 1,2 Zentimeter ansteigen lassen. Und das ist erst der Anfang.
Denn das Grönlandeis gilt als Kipppunkt. Die Eisschilde der Erde reagieren nur langsam auf den Klimawandel. Ist das Schmelzen aber erst einmal richtig im Gange, wird es auch dann nicht mehr aufgehalten, wenn die Erderwärmung in der Zukunft gestoppt wird.
Dahinter steckt unter anderem ein simpler Mechanismus: Gletscher verlieren beim Schmelzen an Höhe. Weil die Luft weiter oben jedoch kälter ist, wird ihre Oberfläche, umso mehr sie schrumpfen, zunehmend wärmerer Luft ausgesetzt – dadurch zerrinnen sie noch schneller.
Experten: Grönlands Eisschild vor kritischem Übergang
Ein Kippen des Eisschildes hätte dramatische Folgen. Denn es würde den langfristigen globalen Anstieg des Meeresspiegels erheblich verstärken. Schwindet der gesamte Eisschild, könnte der weltweite Meeresspiegel im schlimmsten Fall um bis zu sieben Meter steigen. Allein in Deutschland leben rund 3,2 Millionen Menschen in Gebieten an der Nord- und Ostsee, die weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel liegen.
Außerdem könnte das Schmelzwasser den Golfstrom verändern, die Warmwasserheizung Europas. Das System bringt wie ein riesiges Förderband warmes Oberflächenwasser vom Äquator nach Norden bis zu den Britischen Inseln und vor die Küste Norwegens und schickt gleichzeitig kaltes, salzarmes Tiefenwasser zurück in den Süden.
Erst kürzlich haben Wissenschaftler neue Frühwarnsignale entdeckt, die darauf hinweisen, dass der zentral-westliche Teil des grönländischen Eisschildes relativ bald einen kritischen Übergang erleben könnte.
*: Eine handelsübliche Einbau-Badewanne fasst etwa 140 bis 150 Liter Wasser. Die rund 50 Gigatonnen Wasser (50 Milliarden Liter) des Bodensees entsprechen also der Menge, die man zum Befüllen von mehr als 333 Millionen Badewannen benötigen würde.

Stimmt es eigentlich, dass ...
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Quellen: polarportal.dk / "Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America" / Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) / "Nature Communications" (1) und (2)/ Deutscher Bundestag