Das Faszinierende an der Forschung ist, dass man etwas zur Welt beiträgt, das bleiben wird. Und dass man vielen Menschen helfen kann. Ein schöner Gedanke, finde ich.
Dass ich mich mit weißen Blutkörperchen beschäftigt habe, liegt sicherlich an meiner Neugierde sowie an meinem Interesse an Naturwissenschaften und Medizin. So habe ich mich immer gefragt, was eigentlich mit den Blutproben passiert, die in Arztpraxen den Patienten abgenommen werden. Als ich in der zwölften Klasse ein Berufspraktikum machen musste, entschied ich mich deshalb für ein Labor – und war ganz schön überrascht, dass dort noch so viele Tätigkeiten manuell von Menschen erledigt wurden.
Will man Bluterkrankungen erkennen, spielen Zellzahlen eine wichtige Rolle. Wie hoch sind etwa die Werte für rote und weiße Blutkörperchen, wie hoch die der Blutplättchen? Bei Leukämien ist die Zahl der weißen Blutkörperchen, der Leukozyten, oft erhöht. Von den Leukozyten gibt es viele verschiedene Klassen: Lymphozyten, Monozyten und Granulozyten. Die Mitarbeiter im Labor stellen die Blutproben unter das Mikroskop, gehen jeweils 100 weiße Blutkörperchen durch und ordnen sie der jeweiligen Leukozyten-Klasse zu.
Diese Art der Klassifizierung ist zeitintensiv. Ich dachte, dass müsste doch mit einer Maschine in Sekundenschnelle gehen. Aber 2018, als ich mein Praktikum machte, wurde das Aussehen der Zellen auf den Blutausstrichen nur manuell beurteilt.
"Die Krebsforschung beschäftigt mich weiterhin"
Damals las ich viel über künstliche Intelligenz und über maschinelles Lernen. So kam ich auf die Idee, die Leukozyten mithilfe von Deep Learning zu klassifizieren. Die Gelegenheit war perfekt, ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Im Labor hatte ich Zugang zu wertvollen Daten und die Expertise eines Laborarztes. Und im Internet gibt es viele gute Quellen, die zeigen, wie man mithilfe neuronaler Netzwerke solche Klassifizierungsprobleme lösen kann.
Ich habe Schritt für Schritt selbst ein neuronales Netzwerk programmiert und mit Trainingsdaten gefüttert. Dazu musste ich dem Computer die verschiedenen Bilder der Leukozyten zeigen und ihm beibringen, zu welcher Klasse sie jeweils gehören. Man bittet den Computer quasi, zu raten, um welchen Typ es sich handeln könnte. Mit der sogenannten Loss-Funktion kann man dann messen, wie weit die Vermutung des Computers von der richtigen Antwort abweicht. Das Modell des neuronalen Netzwerkes muss so angepasst werden, dass der "Loss" so klein wie möglich wird. Ich habe dem Computer etwa 1500 Bilder von weißen Blutkörperchen gegeben, um ihn zu trainieren.
Anfangs klappte die Klassifikation nicht zuverlässig. Immer wieder musste ich das Programm verändern, das war manchmal frustrierend. Ich habe nicht aufgegeben, sondern weiter probiert, sodass die Genauigkeit immer höher wurde. Außerdem hatte ich beschlossen, diese Arbeit bei "Jugend forscht" einzureichen, das hat mich zusätzlich motiviert. Ein weiterer Gedanke war, dass die Automatisierung von Routinearbeiten Labore entlasten kann, gerade jetzt, da es so schwer ist, Fachkräfte zu finden.
Mittlerweile ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medizin weit verbreitet und kaum noch wegzudenken. Es freut mich zu sehen, dass meine Idee auch schon angewendet wird.
Die Krebsforschung beschäftigt mich weiterhin. Ich studiere Medizin und will demnächst promovieren. So viele Menschen erkranken an Krebs, häufig unheilbar, und so viele Fragen sind noch offen. Aber ich bin mir sicher, dass Forschung und ein besseres Verständnis der Krankheit neue Therapiemöglichkeiten eröffnen werden. Wir können auch auf den Mond fliegen und bald sogar auf den Mars. Das hatte man vor 100 Jahren auch nicht für möglich gehalten.