Chemie-Nobelpreis Die Werkbank der Zelle

Sie haben erforscht, wie die Erbinformation in alles Lebendige übersetzt wird: Für ihre Erkenntnisse über Ribosomen erhalten Ada Jonath, Venkatraman Ramakrishnan und Thomas Steitz dieses Jahr den Chemie-Nobelpreis.

Die diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger haben einen "Kernprozess" des Lebens entdeckt: Die "Übersetzung der Erbinformation in alles Lebendige", wie es das Nobel-Komitee ausdrückte. Winzige Eiweißfabriken in den Zellen lesen die Information, die in den Genen steckt, und produzieren mit Hilfe dieser Bauanleitung dann etwa Hormone, Verdauungsenzyme oder Muskelbestandteile. Für ihre Arbeiten zur Struktur und Funktion der Eiweißfabriken (Ribosomen) erhalten in diesem Jahr drei Forscher aus Israel und den USA den Chemie-Nobelpreis. Ihre Arbeit hat schon vielen Menschen das Leben gerettet, denn ein großer Teil der Antibiotika basiert auf ihren Erkenntnissen.

Die Israelin Ada Jonath (70), die viele ihrer wesentlichen Arbeiten in Deutschland gemacht hat, gilt als Pionierin der Ribosomenforschung. Heute arbeitet die Molekularbiologie-Professorin am Weizmann-Institut in Rehovot (Israel). Nobelkomitee-Mitglied Måns Ehrenberg hebt sie hervor: "Die Pionierin hier war eindeutig Ada Jonath. Sie hat sich eine Menge technischer Tricks ausgedacht, um den Ribosomen auf die Spur zu kommen." Die beiden anderen Chemie-Nobelpreisträger 2009 haben als erste die Struktur der zwei Ribosomenbestandteile erkannt: Venkatraman Ramakrishnan, heute am Medical Research Council im britischen Cambridge, analysierte die kleinere, Thomas Steitz von der Yale-Universität in New Haven (USA) die größere Einheit.

Das Prinzip der Ribosomen funktioniert in Bakterien ebenso wie in Pflanzen und Tieren. Da die Ribosomen von Bakterien etwas anders aufgebaut sind als die von Menschen, steckt dort ein wertvoller Ansatz für Antibiotika.

Rund vier Jahrzehnte hat das Rennen gedauert, bis alle Rivalen Ende der 1990er Jahre endlich auf die Zielgerade einbogen: die Aufdeckung der Struktur von Ribosomen. Mit verschiedenen Strukturaufnahmen der Eiweißherstellung (Proteinsynthese) hatten die Forschergruppen ein lang verfolgtes Ziel erreicht: Mittels der Röntgenkristallographie gelang es den Wissenschaftlern, verschiedene Teile der Ribosomen in Schnappschüssen darzustellen. Bei diesem Verfahren werden Kristalle von aufgereinigten Ribosomen gezüchtet und anschließend mit Röntgenstrahlen beleuchtet. Aus dem Muster der an den Atomen gebeugten Strahlen können dann dreidimensionale Bilder berechnet werden.

Was die Sache schwierig macht: Die Ribosomen, kleine "Molekülklumpen" aus Proteinen und einer Kopie der Erbsubstanz (RNA) sind höchst instabil. Wie eine Fabrik erhalten diese Zellorganellen genetisch codierte Produktionspläne, nach denen sie am laufenden Band Proteine anfertigen. Ribosomen bestehen aus einer kleineren und einer größeren Untereinheit, S30 und S50 genannt, die sich bei der Proteinsynthese zusammenlagern. Die Forschergruppe um Steitz hat die größere Untereinheit aufgedeckt. Kurz zuvor hatte auch das jüngste Team im Wettbewerb, die Gruppe um Ramakrishnan, einen entsprechenden Erfolg für die kleinere Untereinheit vermeldet. Ausgerechnet die Pionierin Jonath schien im Endspurt hintan zu liegen: Sie publizierte zuletzt ihre Strukturbestimmung der S30-Einheit - allerdings in der höchsten Auflösung.

Dass ihr dennoch das Gros der Lorbeeren zukommt, darüber besteht in Forscherkreisen wenig Zweifel. Schließlich widmete sie sich seit den 70er Jahren unermüdlich diesem Thema, nahm Phasen des Belächeltwerdens stoisch hin und teilte ihre grundlegenden Erkenntnisse gerne den Kollegen mit. "Sie war eine der ersten, die erkannten, dass die Kristalle tiefgefroren werden müssen, um überhaupt Daten zu erhalten", sagte Ramakrishnan einmal.

Der Kopenhagener Molekularbiologe Roger Garrett pflichtet ihm bei: "Jonath überzeugte alle, dass die Strukturanalyse des Ribosoms mit Röntgenkristallographie möglich ist." Dennoch äußerte er sich verwundert über die Nobelpreisvergabe. Harry Noller von der Universität von Kalifornien habe mehr auf diesem Gebiet getan als die drei nun Ausgezeichneten. Er habe als Erster die Bedeutung der Erbgut-Kopie RNA erkannt und dann als Erster auch eine Kristallographie vom gesamten Ribosom erstellt.

DPA
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