Für die alten Ägypter bestand das Glück darin, sich möglichst reibungslos in die Gemeinschaft einzufügen. Auch im alten China kannten die Menschen nur wenige private Freuden. Glück war, wenn es dem Staat gut ging; selbst die weit verbreiteten Utopien schilderten nicht das Leben eines Einzelnen, sondern einen perfekt durchorganisierten Staat. In Indien war es zwar möglich, auch alleine glücklich zu sein, leider aber nicht im Diesseits. Denn, so lehrten die vedischen Schriften: Irdisches Glück ist vergänglich, und Vergänglichkeit bedeutet Verlust, und Verlust wiederum Schmerz. Deswegen sollte der Mensch den weltlichen Freuden gegenüber gleichgültig sein und darin das wahre Glück finden.
"Gleichmäßigen Bewegung der Seelenatome"
Ungezügelte Lebensfreude als Glück war auch den meisten griechischen Philosophen fremd. Pythagoras (ca. 570-480 v. Chr.) wollte das Glück in der philosophischen Reflexion finden, Heraklit (ca. 550-480 v. Chr.) in der Weisheit, Demokrit (ca. 460-380 v. Chr.) gar in der harmonischen und gleichmäßigen Bewegung der Seelenatome. Aristoteles (384-323 v. Chr.) war mit etwas weniger zufrieden. Für ihn fühlten sich die Menschen glücklich, wenn sie etwas tun konnten, zu dem sie berufen waren und das ihren Fähigkeiten entsprach.
Doch einzig nach Epikur (341-271 v. Chr.) durfte man sich so richtig austoben. "Jede Bildung fliehe mit gespannten Segeln", schrieb der lebensfrohe Denker. Und auch: "Ich weiß nicht, was ich mir als das Gute vorstellen soll, wenn ich die Lust des Geschmacks, die Lust der Liebe, die Lust des Hörens und den lustvollen Anblick einer Gestalt beiseite lasse". Epikur wurde über siebzig – und starb mit einem Becher Wein in der Badewanne.
Viele Schafe und viele Esel
Auch die Verfasser des Alten Testaments verschmähten nicht die Freuden des Diesseits. Viele Schafe und viele Esel, wie sie etwa der zuvor arg gebeutelte Hiob im Alter besaß, galten durchaus als Glück. Und feiern, so lehrt das Buch Kohelet, durfte man auch: "Iß freudig dein Brot, und trink vergnügt deinen Wein; denn das, was du tust, hat Gott längst festgelegt, wie es ihm gefiel."
Mit der Zeitenwende und der Ausbreitung des Christentums kamen Askese und Vernunft wieder in Mode – und sollten es lange Zeit bleiben. Für Augustinus (354-430 n. Chr.) gab es Glück nur bei Gott. Und Gott konnte nur finden, wer sich auf eine Reise nach innen begab. Sinnliche Genüsse lenkten davon nur ab. Auch Thomas von Aquin (1225-1274) sah den Menschen nur mit Gott glücklich. Den hatte er jedoch im Gegensatz zur Theorie von Augustinus nicht in sich selbst suchen, sondern in den Geboten: Er sollte tun, was die Kirche von ihm verlangte.
Martin Luther (1453-1546) hielt davon zwar wenig, konnte sich aber dennoch nicht dazu durchringen, dem Menschen unbeschwertes Glück zu gönnen. Der Mensch sei nicht frei, predigte Luther, sondern tief in Schuld verstrickt - so tief, dass eine Rettung durch Buße unmöglich sei. Deswegen könne der Mensch auch auf Erden nicht glücklich sein. Erst im Jenseits werde er das eigentliche Glück finden. Selbst als mit der Aufklärung Gott langsam an Bedeutung verlor, wurde es nicht leichter, glücklich zu sein.
Immanuel Kant (1724-1804) setzte an die verwaiste Stelle Gottes die Vernunft. Er sah diejenigen Menschen glücklich, die Regeln befolgten; besonders hoch unter diesen hielt er seinen kategorischen Imperativ: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde". Kants Glücksverständnis passte hervorragend ins aufstrebende Preußen – schließlich galten im Militärstaat private Freuden als eher anrüchig.
Glück als Aufhebung eines Mangels
Konnte sich ausgerechnet der miesepetrige Arthur Schopenhauer (1788-1860) wieder mit einer epikureischen Definition des Glücks anfreunden – Glück als Aufhebung eines Mangels und Befriedigung von Bedürfnissen – so machte schon Friedrich Nietzsche (1844-1900) den Glücksuchern wieder das Leben schwer. Für ihn entstand Glück nur beim Übergang von einem Zustand in einen anderen, und das, so lehrte der Philosoph, sei immer mit Schmerz verbunden. Ergo: Je mehr der Mensch leide, desto glücklicher sei er. "Erst der Schmerz ist der letzte Befreier des Geistes" schreibt Nietzsche – in der Vorrede zur "Fröhlichen Wissenschaft".
Hitler wandelte Nietzsches Thesen ab und fand sein Glück weniger darin, selbst zu leiden, als anderen Schmerzen zuzufügen. Das Dritte Reich ging unter, aber so richtig ausgelassen glücklich durfte sich ein Teil der Deutschen noch immer nicht fühlen: In der DDR sollten die Arbeiter zwar voller Elan den Hammer schwingen, doch war das sozialistische Glück keinesfalls mit ausgelassener Freude zu verwechseln – sondern nach Meyers Lexikon Ost "gehobene innere Zufriedenheit über gute Taten und fortschrittliche Leistungen".
Der fortschrittlichen Leistungen gab es dann aber doch zuwenige und die DDR verschwand. Endlich doch noch: Glück gehabt.