Als erstes deutsches Staatsoberhaupt hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag die 1937 durch einen deutschen Luftangriff weitgehend zerstörte baskische Stadt Guernica besucht. Das Bombeninferno mit hunderten Toten während des Spanischen Bürgerkriegs sorgte damals international für Entsetzen und wurde zum Symbol für eine grausame, gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Kriegsführung. Der Maler Pablo Picasso hielt das Grauen in seinem berühmten Anti-Kriegs-Gemälde "Guernica" für die Ewigkeit fest.
Der deutsche Angriff auf Guernica
Bomber und Jagdflugzeuge des deutschen Luftwaffen-Verbandes Legion Condor legten die Kleinstadt im Norden Spaniens am 26. April 1937 in Schutt und Asche. Bei dem mehr als dreistündigen Angriff an einem Markttag wurden geschätzt 30 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf die 5000-Einwohner-Stadt abgeworfen, die seit dem Mittelalter als heiliger Ort der Basken gilt. Der Angriff begann um etwa 15.30 Uhr und endete um 19.00 Uhr.
Die Brandbomben lösten ein verheerendes Feuer aus, Kampfflugzeuge der NS-Luftwaffe feuerten außerdem mit Maschinengewehren auf die flüchtende Zivilbevölkerung. Der Augenzeuge Juan Guezureya erinnerte sich 1974: "In einer Höhe von etwa 30 Metern flogen die beiden Maschinen hin und her wie fliegende Schäferhunde, die eine Menschenherde zum Schlachten zusammentreiben."
An dem Angriff auf Guernica – baskisch: Gernika – waren insgesamt rund 40 Bomber und Jagdflugzeuge beteiligt, darunter auch einige Flugzeuge der italienischen Luftwaffe.
Die genaue Zahl der Todesopfer ist unbekannt, Schätzungen liegen zwischen 200 und 1700 Toten. Bei dem Angriff wurden nach offiziellen Angaben 85 Prozent der Gebäude in Guernica vollständig zerstört, die meisten anderen Gebäude wurden beschädigt, nur ein Prozent blieb unbeschädigt. Der Stabschef der Legion Condor, Wolfram Freiherr von Richthofen, hielt damals in seinem Tagebuch fest, Guernica sei "buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht" worden. "Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll."
Die flächendeckende Bombardierung der schutzlosen Kleinstadt war nach Einschätzung vieler Historiker ein Versuch, den Gegner und die Zivilbevölkerung zu demoralisieren. Das unweit von Bilbao gelegene Guernica hatte nur eine begrenzte militärische Bedeutung. Eine strategisch wichtige Brücke – immer wieder als eigentliches Ziel des Angriffs genannt – blieb unbeschädigt. Drei Tage nach der Bombardierung nahmen die Truppen des putschenden Generals Francisco Franco die Stadt ein.
Deutsche Hilfe für den Putschisten Franco
Adolf Hitler unterstützte im Spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) den faschistischen General und späteren Diktator Franco, dessen Truppen gegen die links-liberale Regierung der Zweiten Spanischen Republik putschten. Neben dem nationalsozialistischen Deutschland unterstützte auch das vom faschistischen Diktator Benito Mussolini geführte Italien Francos Truppen.
Die Einheiten der spanischen Linken – bezeichnet als Republikaner und bestehend aus regierungstreuen Soldaten, Gewerkschafts-Milizen, Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten, baskischen und katalanischen Nationalisten – wurden von Freiwilligen aus aller Welt, den sogenannten "Internationalen Brigaden", sowie der Sowjetunion unterstützt. Der Bürgerkrieg endete am 1. April 1939 mit dem Sieg Francos. 500.000 Menschen waren getötet worden.
Der Spanische Bürgerkrieg als Versuchslabor
Hitler und Mussolini begründeten ihre Unterstützung für Franco mit dem Kampf gegen den "Bolschewismus". Der Spanische Bürgerkrieg bot Hitler zudem eine willkommene Möglichkeit, neue Waffentechnik seiner Luftwaffe zu erproben. Die Bombardierung Guernicas wird von Historikern als Testlauf für Luftangriffe der Nazis im Zweiten Weltkrieg angesehen, der am 1. September 1939 - nur fünf Monate nach Francos Sieg im Spanischen Bürgerkrieg - mit dem deutschen Angriff auf Polen begann.
Der Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, Reichsmarschall Hermann Göring, machte 1946 vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal keinen Hehl daraus, dass er den Spanischen Bürgerkrieg als Versuchslabor für die NS-Luftwaffe angesehen hatte: Er habe mit Hitlers Erlaubnis "Jäger, Bomber und Flakgeschütze" nach Spanien geschickt und "hatte auf diese Weise Gelegenheit, im scharfen Schuss zu erproben, ob das Material zweckentsprechend entwickelt wurde".
Ein spätes Schuldbekenntnis
Erst zum 60. Jahrestag der Bombardierung Guernicas bekannte sich im April 1997 der damalige Bundespräsident Roman Herzog zur Schuld Deutschlands und bat die Bewohner von Guernica um "Versöhnung". Herzog sprach von einer "schuldhaften Verstrickung deutscher Flieger".
Steinmeier sagte am Mittwoch am ersten Tag seines Staatsbesuchs in Spanien, Deutsche hätten in Guernica "schwere Schuld auf sich geladen". Er betonte: "Dieses Verbrechen haben Deutsche begangen."
Grauen auf der Leinwand
Die Bombardierung der baskischen Stadt ist heute für viele mit dem berühmten Gemälde "Guernica" verknüpft, das der Jahrhundertmaler Picasso kurz nach dem Luftangriff auf Bitten der spanischen Linksregierung für die Pariser Weltausstellung von 1937 schuf. Das ebenso eindrucksvolle wie große Bild – es ist knapp 7,80 Meter breit und 3,50 Meter hoch – gilt als das bekannteste Anti-Kriegs-Gemälde der Welt und als Ikone der Kunstgeschichte. Steinmeier ließ sich das Bild, das im Museum Reina Sofía in der spanischen Hauptstadt Madrid hängt, am Mittwoch zeigen – gewissermaßen als Vorbereitung für seinen Guernica-Besuch.