Mehr Geburten in Deutschland Hoffen auf die Baby-Trendwende

Vor allem jüngere Frauen entscheiden sich wieder für Kinder
Vor allem jüngere Frauen entscheiden sich wieder für Kinder
© Colourbox
Wissenschaftler haben die Geburtenraten in Deutschland nach oben korrigiert. Gerade junge Frauen entscheiden sich demnach wieder häufiger für Kinder. Ein Baby-Boom ist allerdings nicht in Sicht.

In Deutschland gibt es immer weniger Kinder, warnte das Statistische Bundesamt erst vor Kurzem. Und schon seit Jahren wird die zu niedrige Geburtenrate beklagt. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock warten in diesem Zusammenhang nun mit einer hoffnungsvollen Nachricht auf. Ihren Berechnungen zufolge deutet sich ein Wechsel an: Jüngere Frauen würden sich wieder vermehrt für Kinder entscheiden. "Die Geburtenjahrgänge um 1970 scheinen die Trendwerte zu markieren", sagt MPIDR-Forscher Joshua Goldstein.

Alle Frauen, die heute 41 Jahre und jünger sind, dürften demnach wieder mehr Kinder bekommen. Im Schnitt gehen die Wissenschaftler bei den heute etwa 35-Jährigen von etwa 1,6 Kindern aus. Mit ihren Zahlen korrigieren Goldstein und seine Kollegin Michaela Kreyenfeld die bisherigen Berechnungen deutlich nach oben: Die amtliche Statistik geht seit Jahren von etwa 1,4 Kindern aus.

"Das ist ein Schätzwert, der dadurch verzerrt wird, dass Frauen bei der Geburt immer älter sind", erklärt Demografin Kreyenfeld. Der Wert unterschätzt den Wissenschaftlern zufolge die Geburtenneigung einzelner Jahrgänge, da er nicht die endgültige Zahl der Kinder angebe. Er orientiert sich stattdessen an dem Geburtenverhalten aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten Jahr. Rechne man diese Verzerrung heraus, komme man auf eine höhere Geburtenrate.

"Geburtenrückgang gestoppt"

"Die Frauen von heute bekommen wieder mehr Kinder, aber später", sagt Kreyenfeld. Von einem Baby-Boom zu sprechen, hält sie dennoch für übertrieben. "Wir beobachten allerdings, dass der seit den 1960er Jahren registrierte Geburtenrückgang gestoppt und eine Trendwende abzusehen ist."

Ein anderes Bild zeichnen die Wissenschaftler bei den Frauen, die jetzt Anfang 40 sind: Bei ihnen setzt sich demnach erst einmal der Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort. Für sie haben die Forscher einen Wert von 1,5 Kindern berechnet. Ein Unterschied von 0,1 Kindern pro Frau klingt zwar wie eine Kleinigkeit, doch Kreyenfeld zufolge macht er sich durchaus bemerkbar: "Das ist eine ganze Menge", sagt die Demografin. "Das rückt Deutschland von der Geburtenzahl im Europa-Vergleich auf eine andere Position."

Die Wissenschaftler bestimmten auf der Basis von Krankenhausdaten, wann Frauen in Deutschland ihre ersten, zweiten und weiteren Kinder bekamen. Die Statistiken zeigen: Im Osten und Westen Deutschlands ist der Trend ungebrochen, die erste Geburt des ersten Kindes immer weiter rauszuschieben. Im Durchschnitt stieg das Alter, in dem Frauen zum ersten Mal Mutter werden, seit 2001 um fast zweieinhalb Monate pro Jahr an. Beispiel: War eine Frau 2001 bei der Geburt ihres ersten Kindes in Ostdeutschland 26,1 Jahre alt, ist sie heute 1,4 Jahre älter. Ähnlich sieht es in Westdeutschland aus.

Ostdeutsche Frauen bekommen früher Kinder

"Das Geburtenverhalten in Ost und West unterscheidet sich trotzdem noch immer deutlich", sagt Kreyenfeld. In Ostdeutschland bekommen Frauen immer noch früher ihr erstes Kind. 2008 waren sie im Schnitt 27,5 Jahre alt - und damit ein gutes Jahr jünger als ihre Geschlechtsgenossinnen in Westdeutschland.

Doch Kreyenfeld betont, dass es sich auch bei den korrigierten Geburtenraten nur um Schätzwerte handelt. Die Vorausberechnungen seien noch mit einigen Unsicherheiten behaftet. "Wie viele Kinder die Frauen tatsächlich bekommen, die heute Mitte dreißig sind, lässt sich natürlich erst im Rückblick sagen", sagt sie. Um den vorhergesagten Trend zu unterfüttern, ermittelten die Forscher allerdings für die älteren Frauen die tatsächliche Kinderanzahl. Dabei halfen die Daten von Meldebehörden.

Doch was ist der Grund für den Einstellungswandel bei der jüngeren Generation? Die Wissenschaftler können da nur Vermutungen anstellen. Die demographische Wende könnte Goldstein und Kreyenfeld zufolge mit Änderungen in der Familienpolitik - wie dem Ausbau der Kitas und dem Elterngeld - zusammenhängen. Immerhin profitiere genau die Generation, die sich nun wieder vermehrt für Kinder entscheidet, als erste von der finanziellen Unterstützung und dem Ausbau der Kinderbetreuung. Allerdings passe der Wandel auch zum internationalen Trend, wie die Forscher einräumen. Auch in anderen europäischen Ländern bekommen jüngere Frauen wieder mehr Kinder.

Und selbst wenn der Anstieg gut klingt: Mehr als ein hoffnungsvolles Zeichen ist er wohl nicht. "Im internationalen Vergleich ist Deutschland immer noch eines der Länder mit der höchsten Kinderlosigkeit", sagt Kreyenfeld.

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