Forschungsstation Eiland am Rande der Welt

Clipperton ist ein Inselchen, das verloren im Pazifik liegt. Das kleine Paradies beherbergt viele Krabben- und Vogelarten - und eine Handvoll Wissenschaftler.

Auf die Insel gelangt man nur bei Hochwasser. Und selbst dann kommen die Schlauchboote nur mit Mühe an einer einzigen Stelle über die harten Korallenriffe, die das Eiland wie einen Schutzgürtel umgeben. Selbst Robinson hätte es schwer gehabt, auf dem Ring aus Erde und Korallen von zwölf Kilometern Umfang zu überleben. Trotz andauernder Wärme, Palmen und Sonne wird Clipperton nie ein Touristenmagnet sein. Doch das 1200 Kilometer vor Mexiko im Pazifik gelegene winzige Stück Frankreich ist ein Paradies für Vögel, Krabben - und Wissenschaftler.

Dauerhagel von Vogelkot

Jean-Louis Etienne lebt mit Frau und zwei Kindern seit Anfang Dezember 2004 auf Clipperton und sorgt dafür, dass Forscher hier in wechselnder Besetzung arbeiten können. Krebskundler kümmern sich um die zwölf Millionen Krabben, Ornithologen um die mit 120.000 Tieren weltgrößte Kolonie Maskentölpel und Meeresforscher um Algen-, Fisch- und Korallenwelt. Dazu kommen Klimaforscher, Mineralogen und Ärzte. "Ich sorge für die besten Arbeitsbedingungen der Wissenschaftler", sagt Etienne der Zeitung "Aujourd’hui". "Morgens halte ich über Internet und Satellitentelefon Kontakt zu Frankreich."

Labors, Computer und Wissenschaftler sind in Zelten untergebracht, die auch tropischem Regen und dem Dauerhagel von Vogelkot standhalten. Zwei feste Hütten gibt es auf dem Atoll: die "Bar der Verrückten" als allgemeines Lebenszentrum und Etiennes Haus. Weil kein Schiff landen kann, wurde das Holz vor dem Korallenriff ins Wasser geworfen. Es trieb an den Strand, wurde zu einem Floß vertäut, zum Zielort gepaddelt und dort mühsam geborgen. Eines ist sicher: Der englische Pirat Clipperton, nach dem die 1711 entdeckte Insel benannt wurde, hat hier nie sein geheimes Lager aufgeschlagen. Das Atoll um einen Unterseevulkan ist zu unwirtlich.

Frankreich würde Clipperton am liebsten loswerden

Wären die Naturforscher nicht, Frankreich würde Clipperton am liebsten aufgeben. Mexiko besetzte das Inselchen im 19. Jahrhundert - und gab es 1935 den Franzosen dankend wieder zurück. Selbst die Amerikaner, die im Zweiten Weltkrieg hier etwas Militärschrott hinterließen, verloren schnell wieder jedes Interesse an der zwei Quadratkilometer großen Landfläche. Warum also jährlich 60.000 Euro für einen öden Fetzen Sand und Palmen im Stillen Ozean ausgeben?

Auch die Fischrechte in der die Insel umgebenden Wirtschaftszone, die fast so groß ist wie Frankreich, nutzt Paris nicht. Stattdessen betreiben Fangboote aus aller Herren Länder Raubfischerei. Manche jagen systematisch Haie, um ihnen bei lebendigem Leib die begehrten Flossen abzuschneiden. Die Tiere verhungern dann. Claude Payri von der Universität Papeete hat selbst schon beim Tauchen schwerfällig schwimmende Haie ohne Flosse gesehen. Auch der Tunfischbestand sei stark zurückgegangen, berichtet die Forscherin.

Forscher wollen dauerhafte Station

Wie gut es den Krabben und den ewig lärmenden Tölpeln geht, ist schwer zu sagen: Es fehlen Vergleichsdaten, vor allem Zeitreihen. Bis zu 250 Kilometer fliegen die Tölpel derzeit zum Fischen auf die See hinaus. Das wissen die Forscher dank nur 20 Gramm schweren Satellitensendern, die sie den großen Vögeln unter den Schwanz banden. Der Ornithologe Henri Weimerskirch sammelt die Sender wieder ein, sobald die Vögel zum Nest zurück sind - und zwingt die Tölpel, ihren Fang auszuwürgen: Die Beute ist nicht für die Küken, sondern für die Wissenschaft.

Clipperton im Internet

Allzu gerne würden die Forscher hier dauerhaft eine Station aufbauen. "Wie die Einstellung der Atomtests auf Mururoa wäre es eine starke politische Geste, die Frankreich ehren würde, wenn man diesen Ort der internationalen Wissenschaft zur Verfügung stellen würde", sagt Etienne. Er werde Präsident Jacques Chirac persönlich darum bitten, sobald er wieder in Frankreich sei. Und das ist schon im April: Dann haben die letzten Forscher ihre meist privaten Fördermittel aufgebraucht und müssen Clipperton wieder verlassen.

Hans-Hermann Nikolei / DPA

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