Vor zehn Jahren, am 13. Mai 1992, wurde die Krebsmaus als erstes Säugetier in Europa patentiert. Das Patent (EP 169672) wurde von Befürwortern und Gegnern als Signal gewertet. Die einen sprachen von einem »Durchbruch« für die damals aufstrebende gentechnische Wissenschaft und Krebsforschung, die anderen beschworen einen »Dammbruch« bei der »Patentierung von Leben«. Erbittert wird seitdem über den erfinderischen Anspruch gestritten, was eine Entdeckung und eine zu patentierende Erfindung ist.
Ursprünglichen Ziele verfehlt
Bei der Krebsmaus wurde ein Onko-Gen auf das Tier übertragen. Das Patent umfasst Säugetiere, in deren Erbgut zusätzliche Gene eingefügt werden, so dass sich häufiger Tumore bilden. Patentinhaber ist die renommierte US-Universität Harvard. Vor zehn Jahren hofften die Wissenschaftler, durch das Patent neue Behandlungsformen für Krebs zu finden und die Entstehung von Tumoren besser verstehen zu können. Beides ist offensichtlich nicht eingetreten.
Patent »ohne praktische Bedeutung«
Der Münchner Wissenschaftler Prof. Axel Ullrich, Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie, spricht zehn Jahre nach der Patentvergabe von einem »symbolischen Schritt«, der für die Wissenschaft ohne »praktische Bedeutung« geblieben sei. Das patentierte Krebsmaus-Verfahren habe lediglich bestätigt, was vorher schon bekannt war: dass dieses spezifische Gen für die Entstehung von Brustkrebs relevant sei. »Für weitere Erkenntnisse zur Krebsentstehung hat das Patent nahezu nichts gebracht«, sagte Ullrich. Der »große Durchbruch« bei der Krebsforschung sei nicht erfolgt.
Historisches EreignisPatentierbarkeit von Leben
Als das Patentamt im Jahr 1999 seine Rechtsgrundlage änderte und die vom Europäischen Parlament neu beschlossene Patentrichtlinie übernahm, war die Patentierbarkeit von Leben beschlossene Sache, obwohl diese Richtlinie vom Deutschen Bundestag bis jetzt noch nicht umgesetzt worden ist. Da das Europäische Patentamt aber keiner äußeren Rechtsprechung unterliegt, können Patente auf Gensequenzen rechtmäßig erteilt werden. Eine Patentierung des menschlichen Körpers oder seiner Bestandteile ist verboten und erstreckt sich auch auf ein Verfahren zum Klonen von Menschen.
Proteste verhinderten Vergabe nicht
Seit der Erteilung des Krebsmaus-Patents vor zehn Jahren wurden am EPA in München mehr als 1.000 Patentanträge auf Tiere gestellt und weit über 50 erteilt. Diese Patente beziehen sich auf Kühe, die mehr Milch geben, schnell wachsende Schweine, Mastputen und Fische. Es wurde sogar ein Patent auf ein Zwitterwesen (Chimäre) von Mensch und Tier erteilt. Christoph Then von Greenpeace räumt heute ein, dass die Proteste gegen »Patente auf Leben« zwar immer mehr Widerstand in der Öffentlichkeit mobilisiert haben, die Patentvergabe aber nicht behindert haben. Aus Sicht der Patentgegner hat das EPA an den nationalen Parlamenten vorbei die politischen Entscheidungen unterlaufen.
Gebrochenen Dann flicken
Jetzt hoffen die Patentkritiker auf ein politisches Signal zum Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren, damit in den nächsten zehn Jahren der gebrochene Damm wieder geflickt werden könnte. Das 1992 erteilte Krebsmaus-Patent ist nach wie vor leicht verändert gültig. Historisch ist nicht der wissenschaftliche Gewinn durch dieses Patent, sondern die Rechtslage, durch die aus Greenpeace-Sicht Säugetiere zu »Erfindungen« erklärt werden, die wirtschaftlich verwertet werden können.
Nikolaus Dominik