Interview "In Deutschland gibt es keine Biowaffen-Forschung"

Nach den Milzbrand-Anschlägen in den USA hat die Regierung das Zentrum für Biologische Sicherheit gegründet. Es entwickelt Nachweisverfahren für biologische Kampfstoffe.

Das Zentrum für Biologische Sicherheit (ZBS) im Robert Koch-Institut wurde im Oktober 2001 als Reaktion auf die Milzbrand-Anschläge in den USA gegründet. Rund 35 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Das Zentrum besteht aus der Informationsstelle des Bundes für Biologische Sicherheit (IBBS) und vier Laborbereichen. Das ZBS finanziert sich aus Mitteln der Bundesregierung, genauer gesagt aus Mitteln des Anti-Terror-Pakets. Nach dem 11. September 2001 hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung beschlossen, unter anderem fließen zusätzliche Finanzmittel in die Sicherheitsbehörden.

Was sind die Aufgaben des ZBS?

Das Zentrum für Biologische Sicherheit entwickelt in erster Linie Nachweisverfahren für potenzielle bioterroristische Erreger und Toxine. Daneben ist es für die konzeptionelle Entwicklung von Schutzmaßnahmen zuständig und im Ereignisfall koordiniert es das Vorgehen. Darüber hinaus informiert es die Öffentlichkeit und berät die politischen Entscheidungsträger.

Wie hoch schätzen Sie die Gefahr für bioterroristische Anschläge in Deutschland ein?

Kompetenter Ansprechpartner wäre hierfür das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz oder der Bundesnachrichtendienst. Ich persönlich kann hier nur einen Hinweis auf Medienberichte aus dem Ausland geben, die durchaus zeigen, dass es da ein reales Gefahrenpotenzial gibt, zum Beispiel Presseberichte über Rizin-Funde in Großbritannien und den USA.

Interviewpartner

Dr. Walter Biederbick ist Facharzt für Klinische Pharmakologie. Seit März 2003 leitet er die Informationsstelle des Bundes für Biologische am Robert Koch-Institut. Nach dem Studium der Medizin in Bonn absolvierte er eine Facharztausbildung in München, Koblenz und Köln. Seit 1990 gehört er verschiedenen nationalen und internationalen Arbeitsgruppen an, die sich mit Schutzmaßnahmen gegen Massenvernichtungswaffen beschäftigen.

Was unternehmen Sie im Fall eines bioterroristischen Anschlags?

Im Fall eines terroristischen Ereignisses kann das ZBS zum einen den Labornachweis der relevanten Substanzen anbieten. Zum anderen informiert es die Öffentlichkeit, zum Beispiel durch Pressearbeit, ein Bürgertelefon oder über das Internet. Bei allen Maßnahmen arbeiten wir eng mit den entsprechenden Entscheidungsträgern auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene zusammen, vor allem mit den vor Ort zuständigen Behörden, d.h. mit den Landeskriminal- und den Gesundheitsämtern.

Wie arbeitet das ZBS mit der Bundesregierung zusammen?

Das ZBS ist direkt dem Gesundheitsministerium nachgeordnet. Generell beraten wir aber alle Ministerien der Bundesregierung. Allerdings können auch die Landesbehörden mit Fragen an uns herantreten. Außerdem kooperieren wir mit allen Bundesoberbehörden, z.B. mit dem Bundeskriminalamt und der Bundeswehr.

Welche internationalen Kontakte hat das ZBS?

Im Rahmen der Europäischen Union und der so genannten Global Health Security Initative (bestehend aus den G7-Staaten und Mexiko) haben wir natürlich Kontakt zu ähnlichen Einrichtungen in den anderen Staaten. Zur Verstärkung der EU-Kommission schicken wir Mitarbeiter aus dem Robert Koch-Institut in die "Taskforce Bioterrorismus". Außerdem arbeiten wir mit den Nachbarländern Deutschlands auf bilateraler Ebene zusammen.

Wie sind die Sicherheitsvorkehrungen des ZBS? Was tun Sie, damit die Forschungsergebnisse nicht missbraucht werden können?

Da sich das Robert Koch-Institut im Bereich Bioterrorismus nur mit Nachweismethoden beschäftigt, ist das Missbrauchspotenzial sehr überschaubar. Das heißt, wir können hier der alten wissenschaftlichen Tradition folgen und unsere Ergebnisse offen publizieren. Deswegen stellt sich diese Problematik für uns in diesem Sinne nicht. Die hausinternen Sicherheitsbestimmungen sind nach den Ereignissen im Herbst 2001 dem notwendigen Standard angepasst worden: Zugangsbeschränkungen, Überwachungssysteme, elektronisch gesicherte Türen, alle Mitarbeiter wurden überprüft.

Gibt es offensive Biowaffenforschung in Deutschland? Wie stehen Sie zur Dual-Use-Problematik, d.h. zur offensiven Verwendung defensiver Forschung?

Mir sind keine Institute in Deutschland bekannt, die offensiv forschen. Die Dual-Use-Problematik ist hinreichend bekannt. Sie wurde sowohl national wie auch international sehr kontrovers diskutiert. Aber in Deutschland ist Biowaffen-Forschung kein Thema, da sie im Kriegswaffenkontrollgesetz verboten ist. Darüber hinaus hat sich die Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen internationalen Verträgen verpflichtet, sich nicht aktiv mit Massenvernichtungswaffen auseinander zu setzen. Das gilt nicht nur für den biologischen Bereich, sondern auch für den chemischen und nuklearen.

Irena Güttel

PRODUKTE & TIPPS