Klimagipfel in Kopenhagen "Hopenhagen" wird zu "Floppenhagen"

Von Axel Bojanowski, Kopenhagen
Der Klimagipfel in Kopenhagen gilt als wichtigste Konferenz in der Weltgeschichte und droht schon an der Organisation zu scheitern. Die Halle ist zu klein, viele Menschen müssen draußen warten - obwohl sie angemeldet sind. Gastgeber Dänemark bekommt das Chaos nicht in den Griff. Eine Blamage.

Der Kaffeeverkäufer macht sein Geschäft des Jahres. Gut gelaunt fährt er seinen kleinen Wagen an der langen Menschen-Schlange vorbei; hunderte Meter schlängelt sich der Heerwurm zwischen Metallgittern entlang. Gierig recken die Leute dem Verkäufer Geldscheine entgegen, um ein Heißgetränk zu erhaschen. Sie stehen hier seit Stunden - in eisiger Kälte.

Der Kartenvorverkauf für ein Rock-Konzert? Winterschlussverkauf? Freie Audienz beim Papst?

Nein, alle frieren auf der Welt-Klimakonferenz. Sie wurde zu einer der "wichtigsten Konferenzen der Weltgeschichte" ausgerufen. In die Geschichte dürfte die Tagung tatsächlich eingehen, allerdings als peinlichste Veranstaltung der Vereinten Nationen. Und als riesige Blamage für Dänemark und die Stadt Kopenhagen, dem Ort der Konferenz. Schnell machen Spitznamen die Runde, von "Floppenhagen" ist die Rede.

14 Jahre Vorbereitung - und dann ist der Tagungsort zu klein

Seit 14 Jahren haben Tausende Politiker und Delegierte die Tagung vorbereitet. Dutzende Treffen rund um den Globus wurden abgehalten, um sich abzustimmen. In Kopenhagen schließlich sollte ein weltweit gültiger Klimaschutz-Vertrag den gigantischen Aufwand krönen. Doch die Verhandlungen stocken; selbst die dänische Tagungsleitung glaubt nicht mehr an ein bindendes Abkommen.

Ändert sich nicht noch etwas, wird als Symbol der UN-Klimakonferenz wohl die wartende Menschenmenge vor dem Tagungsgebäude in Erinnerung bleiben: Tausende Delegierte, Journalisten und Mitglieder von Nicht-Regierungsorganisationen sind von der Veranstaltung einfach ausgeschlossen worden, da das Gebäude zu klein ist. Die Leute hatten sich zwar zumeist schon vor Monaten angemeldet. Der Andrang hat die Veranstalter aber dennoch überrascht. Mehr als 50 Umwelt- und Entwicklungsverbände haben am Dienstag gegen die Aussperrung ihrer Mitarbeiter protestiert. Das sei "nicht akzeptabel" und "nicht demokratisch", hieß es in ihrem Schreiben an den Leiter des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, und an die dänische Umweltministerin Connie Hedegaard. Auch Journalisten beschwerten sich über ihren Ausschluss.

"Selbst das Oktoberfest ist organisierter"

Nun wird gerätselt, warum Dänemark den Klimagipfel unbedingt haben wollte. Eigentlich hätte die Tagung turnusgemäß auf dem amerikanischen Kontinent stattgefunden. Aber Dänemark buhlte mit großem Einsatz, es wollte Aufmerksamkeit und Ruhm. Jetzt ist das Land blamiert. "Die Vereinten Nationen hätten lieber die Organisationen des Oktoberfestes fragen sollen, wie man eine Großveranstaltung organisiert", murrt eine Österreicherin. Am Sonntag war sie angereist und wollte ihr Anmeldungs-Abzeichen abholen. Doch alles war geschlossen. Am Montag fand sie sich am Ende der langen Schlange wieder. Stundenlang bewegte sich nichts. Außer, wenn Einzelne die Reihen verließen, weil sie die Kälte nicht mehr aushielten - "jetzt sind wir die Klimaflüchtlinge", rief eine Amerikanerin beim Weggehen. Um 17 Uhr schließlich wurde die Tagung geschlossen, alle Wartenden wurden in ihr Hotel geschickt. Manche hatten neun Stunden vergeblich auf Einlass gehofft.

Keine Verpflegung, keine Toiletten für die Wartenden

Am Dienstag war die Lage nicht viel besser: Erneut hatte sich eine ähnlich lange Schlange vor dem Tagungsgebäude gebildet. Erneut hab es keine Informationen der Veranstalter. Auch für Verpflegung und Toiletten war nicht gesorgt. "Wir wollen Klima-Gerechtigkeit!", skandierte die frierende Menge. Passend gekleidet war einzig eine Veganer-Gruppe in wolligen Tierkostümen. Mit Plakaten warb sie für Fleischverzicht: "Sei ein Held, werde Veganer!". Tatsächlich hätten sich viele Wartende ihnen gerne angeschlossen. Australier demonstrierten derweil mit riesigen Plastik-Kängurus gegen die übermäßige Kohleverbrennung in ihrem Land. "Eine Fuhre australischer Kohle wäre jetzt genau das Richtige", grummelte es aus der Menge.

Am Dienstagnachmittag schrumpfte die Menschenschlange etwas. Viele hatten aufgegeben, nachdem der blaue Himmel dichter Bewölkung gewichen war und Schneeregen herabrieselte.

Nicht nur vor dem Tagungsgebäude sorgt die Klimakonferenz für Probleme: Die S-Bahn in Kopenhagen konnte manche Stationen zeitweise nicht mehr anfahren. Demonstranten lieferten Polizisten Straßenschlachten. Und für die nächsten Tage stehen weitere Herausforderungen bevor: Für Mittwoch haben militante Demonstranten angekündigt, das Tagungsgebäude stürmen zu wollen. Am Donnerstag reisen die meisten Staatschefs an. Ob "Floppenhagen" damit zurande kommt, dürfte spannend werden.

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