Für Zugvögel gibt es in den kommenden Jahren hoffentlich grünes Licht auf der Nordsee. Bohrplattformen und Ölproduktionsinseln werden höchstwahrscheinlich allmählich mit grüner Beleuchtung ausgerüstet, statt mit dem bisher eher rot oder orange leuchtenden Lampen. Der Grund: Jedes Jahr sterben Millionen Gänse, Seeadler und andere Arten über der Nordsee auf ihrer Reise gen Süden, weil sie bei bestimmten Wetterbedingungen sie von den rot scheinenden Lampen der Offshore-Anlagen angelockt werden. Stundenlang drehen sie dort wie hypnotisiert ihre Runden bis nichts mehr geht. Entweder stürzen sie total erschöpft in die dunklen Wassermassen oder sie suchen sich ein Plätzchen zum Ausruhen. Zu diesem Zeitpunkt haben sie jedoch so viel Energie verbraucht, dass sie einen Weiterflug zum rettenden Festland nicht mehr schaffen.
Diese Tragödien wollen der Lampenhersteller Philips und die niederländische Erdölgesellschaft Nam, eine Shell-Tochter, in der Zukunft vermeiden. Die beiden Großunternehmen führten im Herbst ein umfangreiches Pilotprojekt durch. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Farben eine weniger starke Anziehungskraft auf Vögel ausüben. Ingenieure filterten aus vielen Variationen des Farbspektrums zwei Möglichkeiten heraus: blau und grün. Das größtenteils blaue Licht hatte jedoch eine negative Nebenwirkung: Menschen sehen im darin keine Tiefen, keine Distanzen, keine Schärfe. Auf den verwinkelten Metallbauten könnte das für die Arbeiter gefährlich werden. Übrig blieb also grün. Zwar flogen immer noch etwa 30 Prozent der vorbei gleitenden Zugvögel in Richting grüner Neonlampen, aber das fanden die Tester einen akzeptablen Prozentsatz, verglichen mit den 80 Prozent der Seeadler oder Gänsen, die sich unvermeidlich von dem roten Schein anlocken lassen und dem sicheren Tod entgegenfliegen.
"Krematorium auf hoher See"
Viele Vögel stürzen dabei in die Flammen, wenn Öl oder Gas abgefackelt wird. Früher geschah das oft nachts, dabei loderte das Feuer hoch auf. Die Vögel wurden geröstet und fielen tot auf die Plattform oder ins Meer. Umweltschützer redeten damals von einem "Krematorium auf hoher See". Die Ölfirmen haben aus diesem Massensterben gelernt. Überflüssiges Gas oder Öl wird nur noch planmäßig tagsüber verbrannt, wenn das Aufleuchten kaum eine Rolle spielt und Vögel sich nicht davon beirren lassen.
Nam und Philips zeigen sich mit den ersten Ergebnissen auf Plattform L15, nördlich der Watteninsel Vlieland, sehr zufrieden. Der Lampenhersteller aus Eindhoven hat beschlossen, einen weiteren Schritt zu machen: Er wird die notwendigen grünen Neonlichter produzieren - in vielen Variationen für industrielle Kunden. Denn die Vogelproblematik spielt an mehreren Stellen, bei Raffinerien und auf Industriegebieten. Die Shelltochter Nam ist mit ihrer Entscheidung, den eigenen 25 Anlagen auf der Nordsee grünes Licht zu geben, zwar noch nicht so weit. Inzwischen meldeten sich aber Interessierte rund um den Globus, um sich bei den zwei Initiatoren des gelungenen Experimentes, die jahrelange Studien hinter sich haben, über den Nutzen zu informieren.
Gleichzeitig sind dabei auch noch menschliche Aspekte von Bedeutung. Weil sich so viele Vögel auf den Metallgerüsten der Plattformen ausruhen und Kot und Kadaver überall herunterfallen, müssen ständig Putzmänner unterwegs sein, um den Dreck aufzuräumen. Außerdem stellte das Untersuchungsteam fest, dass in nächtlichen Stunden das Personal sich bei grünem Licht wohler und sicherer fühlt. Kranmaschinisten machen weniger Fehler bei ihrer Arbeit, weil sie Höhen und Tiefen besser einschätzen können.