Seuchen Streit um Schwarzen Tod

Bisher galt als sicher: Ratten und Fliegen haben Pest-Erreger Yersinia pestis übertragen. Doch nun zweifeln Wissenschaftler an der Theorie.

Eigentlich galt die Ursache des Schwarzen Tods als geklärt: Seit einem Jahrhundert waren sich Forscher einig, dass der durch Ratten und Fliegen übertragene Pest-Erreger Yersinia pestis für die verheerende Seuche verantwortlich war, die Mitte des 14. Jahrhunderts in Europa ganze Landstriche entvölkerte. Die bislang aufwendigste gentechnische Analyse von Pestopfern aus mehreren Ländern weckt jedoch Zweifel an dieser Theorie.

Ausbreitung der Pest von Süden nach Norden

Zwischen 1347 und 1352 breitete sich die Seuche von Süden nach Norden in ganz Europa aus und tötete etwa ein Drittel bis die Hälfte der damaligen Bevölkerung. "Wir können zwar Yersinia als Ursache des Schwarzen Todes nicht ausschließen", sagte der Molekularbiologe Alan Cooper von der britischen Universität Oxford dem "New Scientist". Bis jetzt gebe es dafür aber auch keinen molekularen Beweis.

Damit widerspricht der Experte dem französischen Forscher Didier Raoult von der Universität Marseille. Der hatte im Jahr 2000 drei aus dem 14. Jahrhundert stammende Skelette aus der Gegend um Montpellier untersucht. Bei der Analyse von DNS-Fragmenten aus den Zähnen stieß Raoult nach eigenen Angaben eindeutig auf Sequenzen von Yersinia-Bakterien. Wissenschaftler der Universität Liverpool kratzten dagegen nach der Durchsicht historischer Dokumente schon vor zwei Jahren an der Theorie, Yersinia sei die Ursache des Schwarzen Todes. Sie bezweifelten sogar öffentlich, dass es sich bei den untersuchten Überresten überhaupt um Opfer des Schwarzen Todes handelte.

Keine Spur des Erregers in Massengräbern gefunden

Cooper und seine Mitarbeiter analysierten nun Zähne von 66 Skeletten aus fünf Massengräbern aus England, Dänemark und Nordfrankreich. Ergebnis: In den untersuchten 121 Zähnen wiesen die Wissenschaftler zwar unterschiedliche Bakterien nach, fanden aber keine Spur von Yersinia. Raoult, so ihre Vermutung, könnte die Proben beim Aufbrechen und Ausschaben der Zähne versehentlich mit moderner Yersinia-DNA kontaminiert haben. Den Verdacht nährt die Tatsache, dass Raoult in sämtlichen Proben die Erreger fand, diese sich also trotz des warmen Mittelmeerklimas überall gehalten haben sollen.

Die Abwesenheit der Bakterien in den von Cooper untersuchten Zähnen beweist jedoch nicht, dass die Menschen nicht doch durch Yersinia umkamen. Möglich wäre laut Cooper, dass die Infektion nicht bis in die Zähne vordrang.

Die Liverpooler Wissenschaftler nehmen an, dass nicht Yersinia-Bakterien den Schwarzen Tod verursachten, sondern ein hämorrhagisches Virus ähnlich Ebola, das innere Blutungen auslöst. Cooper hofft nun darauf, Weichgewebe von Opfern des Schwarzen Todes auf Yersinia oder andere Erreger zu untersuchen. Aufschluss bringen könnte die Analyse von Seuchenopfern in Finnland. Dort könnte der Permafrostboden Körpergewebe über die Jahrhunderte konserviert haben.

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