Herr Professor Haverich, in Korea wird die jetzt schon weltweit an der Spitze liegende Klonforschung weiter mit Millionensummen gefördert. Singapur, Indien oder auch Großbritannien versuchen, Schritt zu halten. Bei uns hat der Kanzler vergangene Woche zwar eine Lockerung des Embryonenschutzes angeregt, aber weit und breit findet er dafür keine parlamentarische Mehrheit. Wird der deutsche Beitrag zur Forschung an embryonalen Stammzellen also bald nur noch darin bestehen können, in Asien die Laborflure zu putzen?
Vergessen Sie mal nicht, dass wir denen auch noch die ethischen Gutachten schreiben könnten!
Ernsthaft: Ist der Vorsprung der Asiaten überhaupt noch aufzuholen?
Ich sehe das nicht ganz so pessimistisch. Um zu lernen, wie groß das Potenzial embryonaler Stammzellen tatsächlich ist und wie wir es medizinisch ausreizen können, kommen wir im Moment noch mit Tierzellen aus.
Aber eine Ratte ist kein Mensch.
Deshalb müssen wir ja auch an Affen forschen. Bei Primaten ist die Ähnlichkeit mit uns so groß, dass wir durch solche Experimente viel über menschliche Zellen lernen können. Fürs Erste reicht das.
Hat der Kanzler also mehr gefordert, als Sie sich wünschen?
Ich bin ihm natürlich dankbar dafür, dass er sich für uns einsetzt. Nur dürfen wir nicht zu früh an die Änderung der Gesetze gehen, sonst scheitern wir wieder. Zunächst brauchen wir so schlagkräftige medizinische Argumente, dass auch die Bremser ihre Position überdenken müssen. Glauben Sie mir, wenn therapeutische Erfolge unübersehbar sind, wird sich die Stimmung schon ändern. In der Bevölkerung und auch in der Politik.
Es gibt ja auch die ethisch unbedenklichen "adulten" Stammzellen, die im Körper Erwachsener zu finden sind. Von ihnen wird manchmal gesagt, sie könnten embryonale ersetzen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Eher nicht. Jedenfalls hat sich in unseren Versuchen keine einzige dieser Stammzellen in eine Herzmuskelzelle verwandelt, wie wir sie zum Beispiel für die Heilung von Infarkten bräuchten.
Also bleibt nur der rechtlich derzeit noch verbaute Weg über die embryonalen Stammzellen?
Wahrscheinlich. Wobei wir aber nicht mit beliebigen importierten Zellen arbeiten können. Wir brauchen in der Klinik Zellen, die genetisch genau zum Patienten passen. Sonst kämpfen wir als Transplanteure gleich wieder mit Abstoßungsreaktionen durch das Immunsystem des Empfängers. Darum geht es nicht ohne therapeutisches Klonen, wie es die Koreaner vor kurzem erfolgreich vorgemacht haben. Nur so gewonnene Zellen werden vom Körper der Patienten auch problemlos angenommen.
Und das Klonen wollen Sie bei uns durchsetzen, obwohl noch nicht mal frische embryonale Stammzellen importiert werden dürfen?
Vielleicht gibt es einen Ausweg. Einige ernst zu nehmende Forschergruppen versuchen derzeit, embryonale Stammzellen ohne Verwendung einer menschlichen Eizelle zu züchten. Große entkernte Körperzellen könnten die ersetzen. Damit wären wir ethisch aus dem Schneider.
Entstünde nicht dennoch eine Art Embryo mit all den ethischen Problemen, die Ihnen Ihre Gegner jetzt auch schon vorhalten?
Das kann man aber doch wirklich nicht mehr Embryo nennen, wenn weder eine Samenzelle noch eine Eizelle gebraucht wird!
Das heißt, aus diesem Zellgebilde könnte auf keinen Fall ein kompletter Mensch werden?
Ja. Das ließe sich so steuern, dass zum Beispiel Nervenzellen erst gar nicht angelegt würden.
Und wenn dieses Verfahren nicht zum Erfolg führt? Die Konkurrenz in Asien wird auf jeden Fall weiter klonen wie bisher. Was machen Sie dann?
Ich bleibe dabei: Wenn die medizinischen Anwendungen erst einmal klar sind, wird auch bei uns die Diskussion neu beginnen. Da bin ich ganz optimistisch.
Nun könnte in einem neuen Kabinett unter Führung der CDU Annette Schavan, eine bekennende Katholikin, das Forschungsministerium übernehmen. Würde es für die Stammzellforschung dann nicht eher noch schwerer als jetzt schon?
Ich traue Frau Schavan zu, dass sie ihre Position überdenken kann. Allerdings werden wir ihr medizinische Verfahren präsentieren müssen, die keinen Zweifel am Erfolg mehr lassen.
Und wann könnte es so weit sein?
Bei dem Tempo, das die Koreaner jetzt vorlegen, wahrscheinlich schon in ein oder zwei Jahren. Jedenfalls wird der nächste Bundestag um eine weitere Stammzelldebatte bestimmt nicht herumkommen.