Stephen Hawking Science-Pop vom Großmeister

Wie ein Popstar ist der Physiker Stephen Hawking bei einem Vortrag in Berlin bejubelt worden. Seine Themen: der Ursprung der Zeit - und Pizza im Weltall.

Vorträge des britischen Physikers Stephen Hawking erinnern ein wenig an Pop-Konzerte altgedienter Bands. Da gibt es ergraute Fans der ersten Stunde, junge Verehrer oder stille Genießer. Sie alle eint der Wunsch, das Phänomen Hawking einmal aus der Nähe zu erleben. Einen 63-jährigen Mann, der fast vollständig gelähmt in einem Rollstuhl sitzt, nur noch über eine blecherne Computerstimme reden kann - und doch zu den bekanntesten Wissenschaftlern der Welt zählt. Vielleicht ist das Science-Pop.

Es ist Stephen Hawking nicht anzusehen, wie er sich fühlt, an diesem Montagabend in Berlin. Er wird in seinem Rollstuhl in einen Hörsaal der Freien Universität geschoben. Die grellen Lichter der Kameras blenden ihn minutenlang, Beifall brandet auf. Während zwei Geigenspieler versuchen, dem Abend die Seriosität einer akademischen Feier zu verleihen, robben Fotografen im Ehrgeiz um das beste Bild an den Füßen der Musiker vorbei. Vielleicht amüsiert das Stephen Hawking, vielleicht auch nicht. Er kann sich nicht dazu äußern. Ein Satz aus dem Sprachcomputer, den er über Sensoren seiner Brille steuert, würde ihn 20 Minuten Zeit kosten. "Der tut einem ja so leid", sagt eine junge Studentin.

Und doch ist es mehr als der Mitleids-Bonus, der hunderte Zuhörer in die Freie Universität Berlin gelockt hat. Hawking ist nicht nur ein Mann, der bewundernswert mit seiner zerstörerischen Krankheit lebt, der Muskellähmung ALS. Er ist auch Wissenschaftler - Spezialität Schwarze Löcher - und Bestseller-Autor. Titel wie "Eine kurze Geschichte der Zeit" wurden millionenfach in vielen Auflagen gedruckt. Das Phänomen Hawking mag dabei an den ersten Science-Star Albert Einstein erinnern: Alle reden über seine Bücher, die aber wohl nur wenige gelesen und noch weniger verstanden haben.

Suche nach der Weltformel

Denn Hawking geht es um nichts weniger als die Frage vom Ursprung des Universums, um die Suche nach der Weltformel. Er träumt von einem Satz mathematischer Gleichungen, der vom Urknall bis zu den kleinsten Atomen alles erklären soll. "Warum sind wir hier? Woher kommen wir?", fragt die blecherne Computerstimme in den Hörsaal, die Hawkings Vortrag aus dem Speicher des Sprachcomputers abspult. Es hört sich ein wenig an, als ob Außerirdische philosophieren.

Mit dem Ursprung der Zeit sei es ein wenig so wie mit dem Ende der Welt, knarzt die Stimme dann weiter - "wie mit dem Ende der Welt, als die Menschen noch dachten, dass die Erde eine Scheibe ist". Nur, dass es mit der Zeit eben noch viel komplizierter sei als mit der Erde. In solchen Momenten bekommen die Zuhörer eine Ahnung davon, was in Hawkings Gehirn vorgeht. Dann lachen sie wieder über den Humor des Physikers, der die Computerstimme erläutern lässt, warum man mit Mikrowellen aus dem All keine Pizza auftauen kann. Nur seine Augenlider bewegen sich, die Wange zuckt.

Zum Schluss sitzt Stephen Hawking umringt von Zuschauern im Hörsaal. Sie alle wollen ihn ansehen, wollen noch näher ran. Vor dem Hörsaal haben die wartenden Studenten eine Gasse gebildet. "Thank you for listening", sagt die Computerstimme. Die Studenten jubeln dem Mann im Rollstuhl zu. Es herrscht wieder eine Stimmung wie beim Popkonzert.

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Ulrike von Leszczynski/DPA

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