Nur wenige Missionen der Nasa dürften mehr (junge) Menschen von Astronomie und Raumfahrt begeistert haben als die Mission der Zwillingssonden "Voyager 1" und "Voyager 2". Ihre Reise zu den äußeren Planeten war spannend wie ein Krimi, die Entdeckungen waren spektakulär, sie veränderten unser Bild des Sonnensystems grundlegend. Nach rund viereinhalb Jahrzehnten sind sie die beiden menschengemachten Objekte, die sich am weitesten von der Erde entfernt haben. Sie sind die ersten physischen Botschafter der Erde im interstellaren Raum.
Doch die weiteste Reise der Raumfahrtgeschichte scheint sich nun ihrem Ende zu nähern: Zwar fliegen beide unbemannten Sonden noch und senden auch weiter Daten, aber in den vergangenen drei Jahren haben die zuständigen Nasa-Wissenschaftler bereits mehrere Instrumente an Bord abgeschaltet, um die verbleibende Energie zu strecken. Die Kraft der Sonden nimmt Jahr für Jahr ab – und die Ingenieure müssen sich daran anpassen. Dafür müssen sie häufig jahrzehntealte Dokumente lesen oder längst in Rente gegangene Nasa-Ingenieure kontaktieren.
"Voyager": Plutonium-Generatoren als Energiequelle
Bei "Voyager 1" kämpfen die Wissenschaftler zudem gerade mit einem Datenproblem. Zwar scheine die Sonde normal zu funktionieren, aber das Kontrollsystem zeige Daten an, die dazu nicht passen. "So ein Mysterium ist zu diesem Zeitpunkt in der Mission keine Überraschung", sagte Chef-Wissenschaftlerin Suzanne Dodd. "Die Sonden sind beide fast 45 Jahre alt, viel mehr als die Planer der Mission je erwartet hätten. Und wir sind jenseits der Heliosphäre der Sonne – einer Umgebung mit hoher Strahlung, in der kein Raumschiff je geflogen ist. Für die Ingenieure gibt es also große Herausforderungen."
Ursprünglich war die "Voyager"-Mission der beiden "kosmischen Überflieger", die als eine der erfolgreichsten Unternehmungen in der Geschichte der Nasa gilt, auf vier Jahre angelegt. Am 20. August 1977 war "Voyager 2" gestartet, ihre Zwillingsschwester "Voyager 1" kurz darauf am 5. September 1977.
Beide je rund eine Tonne schweren Sonden hatten ein Rendezvous mit Jupiter und Saturn, "Voyager 2" besuchte dazu Uranus und Neptun. Auch fast 50 Monde studierten die Sonden. Atemberaubende Fotos sendeten die beiden von der Atmosphäre des Jupiters, von aktiven Vulkanen des Jupiter-Mondes Io und von den Saturn-Ringen.
In weiser Voraussicht waren die Sonden von Anfang an mit Backup-Systemen versehen. Betrieben wird das "Voyager"-Duo mit langlebigen Plutonium-Generatoren.
"Energie-Budgets werden immer enger"
"Voyager 1" ist inzwischen mehr als 23 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, so weit wie kein anderes Raumschiff, bei "Voyager 2" sind es rund 20 Milliarden Kilometer. 2012 wurde "Voyager 1" zur ersten Raumsonde in der Geschichte der Menschheit, die das Sonnensystem verlassen hat. "Voyager 2" ist dank ihres früheren Starts die am längsten kontinuierlich betriebene Raumsonde. 2018 verließ auch "Voyager 2" die Heliosphäre der Sonne.
Für die Grenze des Sonnensystems gibt es jedoch verschiedene Definitionen. Sie wird oft mit dem Rand der Heliosphäre gleichgesetzt, einer Art Blase im interstellaren Raum, die maßgeblich durch den Sonnenwind gebildet wird. Nach dem Verständnis anderer Experten ist die Grenze weiter entfernt und liegt hinter der sogenannten Oortschen Wolke, einer Ansammlung kleiner Objekte, die trotz der immensen Entfernung noch unter dem Einfluss der Anziehung durch die Sonne stehen.
"Unsere Energie-Budgets werden immer enger, aber unser Team geht davon aus, dass wir noch mindestens fünf weitere Jahre Wissenschaft betreiben können", hieß es jüngst auf dem Twitter-Account der Sonden. "Vielleicht werden wir unser 50. Jubiläum feiern können oder sogar bis in die 2030er hinein funktionieren."
"Wir haben Herausragendes geschafft"
Auch wenn sie verstummen, werden die Sonden nicht aufhören zu fliegen. Derzeit sind sie mit rund 61.000 Stundenkilometern ("Voyager 1") und rund 55.000 Stundenkilometern ("Voyager 2") durch die Milchstraße unterwegs. Im Gepäck dabei haben die "Voyager"-Zwillinge auf Datenträgern unter anderem Musik von Rock'n'Roll-Legende Chuck Berry, dazu klassische Musik von Bach, Mozart und Beethoven sowie Klänge aus Ländern wie Australien, Bulgarien, Japan und Peru und 115 Bilder und Grußbotschaften an mögliche Außerirdische in 55 verschiedenen Sprachen.
"Es ist schwer, das Ende kommen zu sehen", sagte Wissenschaftler Alan Cummings, der die Sonden schon seit Jahrzehnten verfolgt, dem "Scientific American". "Aber wir haben Herausragendes geschafft."