Danach war nur noch wenig in der amerikanischen Politik, wie es vorher war. Dennoch ignorierten die US-Medien den zehnten Jahrestag der Lewinsky-Affäre an diesem Wochenende geflissentlich. Vielleicht sind sie einfach zu beschäftigt mit dem aktuellen Wahlkampf, vielleicht sind sie aber auch um jede Ausrede froh, den ganzen Schmutz, der damals in der Hauptstadt wieder und wieder durchgewühlt wurde zu vergessen. Trotzdem, hätte Präsident Bill Clinton damals keine, in seinen Worten "unangebrachte Beziehung" zur Praktikantin Monica Lewinsky unterhalten, wäre George W. Bush wohl nie ins Weiße Haus eingezogen. Und wahrscheinlich hätte Ehefrau Hillary Clinton beste Chancen, 2009 das höchste Amt im Lande zu übernehmen. Stattdessen muss sie sich in der kommenden Woche auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten mit einer Nebenrolle begnügen.
Steilvorlage für George W. Bush
Vor zehn Jahren gab Bill Clinton in einer TV-Übertragung aus dem Oval Office gegenüber der Grand Jury erstmals zu, eine Beziehung zu Lewinsky gehabt zu haben. Tonbandaufnahmen und ein blaues Kleid, das seine Samenspuren aufwies, zwangen ihn, sein Leugnen aufzugeben. Was folgte, war ein Amtsenthebungsverfahren, in dem Clinton sich in absurde juristische Definitionen flüchtete, das das Land für ein Dreivierteljahr lahm legte und schließlich in einem Freispruch endete, weil die Republikaner keine Zweidrittel-Mehrheit im Senat zusammen bekamen. First Lady Hillary Clinton kreierte in diesen Monaten das ultimative Bild der "Stand-by-your-man"-Ehefrau. Zur Ikone wurde ihr gemeinsamer TV-Auftritt mit Bill, in dem sie in die Kamera lächelte, seine Hand hielt und von einer "weit verbreiteten rechten Konspiration" sprach.
Es war die Zeit, die das Land in zwei Lager spaltete: Die unerschütterlichen Clinton-Freunde und die Clinton-Hasser. Vize-Präsident Al Gore versuchte bei seinem Anlauf auf das Weiße Haus 2000 so viel Distanz zwischen sich und Bill Clinton zu legen, wie er nur konnte. Die demokratische Basis, die noch übrig blieb, war aber zu klein, um George W. Bush zu verhindern. Der Republikaner wiederum konnte mit dem Versprechen protzen, "Ordnung und Sauberkeit" ins Weiße Haus zu bringen. Als Hillary Clinton ihren Anlauf auf das Weiße Haus 2007 begann, musste sie sich von Beginn an mit den höchsten Ablehnungsraten aller Kandidaten herumschlagen. Ein Erbe der Lewinsky-Affäre, seit der sie als kaltblütig und machtbesessen gilt. Der Moderator des Nachrichtensenders MSNBC Chris Matthews verstieg sich gar zu der Behauptung, Hillary Clinton habe bereits bei ihrem Rennen um einen Senatssitz vom Mitleidsfaktor der betrogenen Ehefrau profitiert, ohne den sie nie ins Amt gewählt worden wäre.
Lewinsky meidet die Öffentlichkeit
Die Lewinsky-Affäre markiert auch die Zeit, da der geheime Pakt zwischen den Mächtigen und den Medien zerbrach. Die amourösen Eskapaden John F. Kennedys waren noch tabu gewesen, Bill Clinton selbst hatte die Affären mit Gennifer Flowers und Paula Jones halbwegs unbeschadet überstanden. Was danach kam, beschreibt die Journalistin Helen Thomas, 88-jährige Veteranin der Washingtoner Politberichterstattung in einer am Montag erstmals ausgestrahlten Dokumentation so: "Kein Präsident vor ihm war jemals Subjekt einer solchen Tyrannei." Clinton habe nicht verstanden, dass die Ultrarechte das alte Gentlemen´s Agreement, das übrigens auch in vielen anderen Ländern der Welt gilt, aufkündigte.
Und Monica Lewinsky? Nach einem kurzen Leben als Ikone der Popkultur mit Ausflügen in die Reality-TV-Welt und der Erkenntnis, "ich bin bekannt für etwas, für das es nicht toll ist, bekannt zu sein", ging sie 2005 nach Großbritannien, um dort Psychologie an der London School of Economics zu studieren. Sie erwarb ihren Abschluss im Dezember 2006, seitdem verliert sich ihre Spur als öffentliche Person weitgehend. Sie soll heute im US-Bundesstaat Oregon in der Nähe von Portland leben. Von ihrem einstigen Chef und Liebhaber aber hat sie genug. Als Bill Clinton im Vorwahlkampf in Oregon auftauchte, habe sie einen weiten Bogen um den Rummel gemacht, berichtete die lokale Presse.