Um 8.20 Uhr dringen Soldaten der 3. Infanteriedivision in den Neuen Palast von Staatschef Saddam Hussein ein. Sie werden von einem benachbarten Uhrturm aus beschossen. Ein US-Panzer zerstört das Gebäude mit einer Granate. Fliehende Iraker versuchen, sich in Sicherheit zu bringen, und springen in den Tigris.
In dem mit blauen Kacheln verzierten Gebäude sind das Erdgeschoss und der erste Stock überflutet. Auch das dritte und vierte Stockwerk sind weitgehend zerstört, getroffen bei den tagelangen Luftangriffen seit Beginn des Krieges am 20. März. Auf dem Boden liegen abgerissene Vorhänge.
Möbel im Louis-XIV-Stil
Das von einer blauen und goldenen Kuppel gekrönte Gebäude macht den Eindruck, als ob es einmal ein prächtiger Wohnsitz gewesen sei. Der Goldaufstrich von Möbeln im Louis-XIV-Stil ist unter dicken Staubschichten verborgen. Überall hängt der Geruch von verbranntem Holz in der Luft. Fast in jedem Raum gibt es mindestens einen Fernseher. Brunnen und Schwimmbäder sind trocken. "Das muss einmal ein netter Ort gewesen sein", staunt der 20-jährige Soldat Robert Blake.
Während seiner 24 Jahre dauernden Herrschaft hat Saddam Hussein Dutzende Paläste im ganzen Land erbauen lassen. Die Vereinten Nationen haben vermutet, dass der Staatschef in einigen Palästen Massenvernichtungswaffen versteckt hielt. Bei den UN-Inspektionen wurde aber kein Hinweis darauf gefunden. Der Neue Palast am Tigrisufer wurde erst vor wenigen Jahren unweit der Zentrale der Baath-Partei errichtet.
Schlafzimmer wie Suiten eines Luxushotels
Soldaten durchsuchen die Räume, die meist den Eindruck von Wohnsalons machen. In Büros durchsuchen sie Dokumente. In einem Kinderzimmer gibt es vier Betten, die großen Schlafzimmer wirken wie Suiten eines Luxushotels. Regale und Schubladen sind leer. Offenbar ist der Palast schon vor Beginn des Bombardements geräumt worden. In der Küche gibt es keine Vorräte, nur Wasser läuft noch aus den Leitungen.
Auf dem Gelände des Palastes richten die US-Truppen einen provisorischen Sammelpunkt für Gefangene ein. Hier werden irakische Kämpfer hingebracht, die bei den Gefechten im Stadtzentrum gefangen genommen wurden.
Straßen fast menschenleer
Ein paar Kilometer flussabwärts, in der Nähe des Alten Palastes, sind gegen Mittag Explosionen und Gewehrfeuer zu hören. Wenige Geschäfte haben geöffnet, die Straßen sind fast menschenleer. Im zentralen Busbahnhof vor dem El-Raschid-Hotel warten etwa 500 Menschen auf einen Bus, unter ihnen auch einige Soldaten.
Das Informationsministerium sieht verlassen aus. Nur eine Handvoll Soldaten steht mit Sturmgewehren davor, andere haben sich hinter Sandsackstellungen verschanzt. Sie recken Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen in die Luft.