Corona-Pandemie Fehlendes Personal, dichte Schulen: Die Omikronwelle stürzt die USA ins Chaos

New York, USA: Menschen stehen Schlange, um sich auf das Coronavirus testen zu lassen.
New York, USA: Menschen stehen Schlange, um sich auf das Coronavirus testen zu lassen. Jeder dritte Test fällt hier inzwischen positiv aus. 
Der Blick in die USA zeigt, was auf Europa angesichts der neuen Coronavirus-Welle zukommen könnte: Rekordinzidenzen, eine lahmgelegte Wirtschaft und eine neue Diskussion über geöffnete Schulen.

Während hierzulande die Corona-Zahlen gerade langsam zu steigen beginnen, ist die Welle in den Vereinigten Staaten bereits in vollem Gange. Am Montag meldete das Land erstmals mehr als eine Million Neuinfektionen binnen 24 Stunden – und knackt damit einen neuen weltweiten Rekord. Bereits am Sonntag warnte Chef-Virologe Anthony Fauci vor einer "fast senkrecht" verlaufenden Ansteckungskurve. Laut Daten der Johns-Hopkins-Universität haben sich die Infektionszahlen durch die hoch infektiöse Omikron-Variante innerhalb von nur einer Woche verdoppelt. 

Doch Omikron sorgt nicht nur für Rekordinzidenzen, sondern stellt auch zunehmend andere Bereiche des öffentlichen Lebens auf den Kopf. So mussten beispielsweise tausende Flüge wegen der hohen Zahl an infizierten oder unter Quarantäne stehenden Mitarbeiter gecancelt werden. Auch kritische Institutionen des öffentlichen Dienstes, wie Krankenhäuser, Polizei und Feuerwehr, sind derzeit von akuten Personalausfällen betroffen.

Coronavirus-Epizentrum New York

Besonders verschärft hat sich die Lage in New York, das wieder einmal zum Epizentrum der Pandemie geworden ist. Inzwischen fällt hier jeder dritte Coronatest positiv aus. Eric Adams, der frischgebackene Bürgermeister der Stadt, hält jedoch einen weiteren Lockdown für genauso gefährlich wie das Virus selbst. "Wir haben elf Billionen Dollar für Covid ausgegeben und wir haben keine weiteren elf Billionen Dollar", sagte Adams dem Sender ABC. "Also können wir unsere Leben nicht auf der jeweils neuen Variante aufbauen. Wir müssen lernen, uns anzupassen."

Das öffentliche Leben und die Infrastruktur in New York sind allerdings auch ohne strenge Corona-Beschränkungen allein durch das Virus lahmgelegt. Pünktlich zum Jahreswechsel hat sich jeder dritte Rettungssanitäter und jeder sechste Feuerwehrmann krankgemeldet. Viele Restaurants haben seit Weihnachten zu – bis heute fährt die Metro einige Strecken nur noch unregelmäßig. Laut einer Umfrage der Handelskammer von Brooklyn musste sogar jedes fünfte Unternehmen wegen Personalnot zeitweilig schließen. Auch um den Broadway macht diese Welle keinen Bogen: Mehrere Shows mussten nach positiven Tests von Darstellern abgesagt werden.

Auch wenn erste Studien darauf hindeuten, dass Omikron einen milderen Verlauf verursacht, hat sich die Variante so schnell verbreitet, dass Krankenhäuser dennoch immer mehr unter Druck geraten. Erstmals seit vier Monaten hat die Zahl der Krankenhauseinweisungen in den USA die 100.000 wieder überschritten – allein in New York haben sich die Krankenhauseinweisungen seit November verfünffacht.

Schulschließungen polarisieren die USA

Gleichzeitig warnen viele Gesundheitsexperten vor einer Verharmlosung der Omikron-Gefahr für Kinder, da sich inzwischen auch die Kinderstationen in den Kliniken füllen. "Wir haben bei der Impfung unserer Kinder im ganzen Land einfach schlechte Arbeit geleistet", sagte Peter Hotez, Dekan der National School of Tropical Medicine dem Sender CNN. "Auch wenn viel über die Omikron-Variante geredet wird, eine weniger schwere Krankheit, wenn man alle Faktoren zusammenzählt ... haben wir in diesem Land eine sehr ernste Situation, vor allem für die Kinder."

Genau wie in New York ist daher auch im Rest des Landes die alles beherrschende Frage: Schulschließungen – ja oder nein?

Mehrere Großstädte wie Detroit, Los Angeles, Newark, Milwaukee, Cleveland und Atlanta sind den Schritt angesichts der explodierenden Infektionszahlen bereits gegangen. Einige verlängerten die Winterferien, andere wechselten direkt zurück in den Online-Unterricht. Für Schlagzeilen sorgte ein Streit zwischen der Lehrergewerkschaft und der Stadt Chicago, wo am Mittwoch in allen staatlichen Schulen der Unterricht abgesagt wurde, nachdem die Lehrer gedroht hatten, zu Hause zu bleiben, um Homeschooling zu erzwingen.

Im Gegensatz dazu wollen US-Bundesstaaten wie New York und Florida die Schulen um jeden Preis offenhalten. "Wir freuen uns sehr über die Öffnungen unserer Schulen", betonte New Yorks Bürgermeister Adams vor einer Grundschule in den Bronx. "Wir wollen ganz deutlich sein: Der sicherste Ort für unsere Kinder ist ein Schulgebäude". Das sah offenbar rund ein Drittel der New Yorker Eltern anders, welches ihre Kinder am ersten Tag nach den Ferien nicht zurück ins Klassenzimmer schickte.

Biden wirbt erneut fürs Impfen

So stand US-Präsident Joe Biden am Dienstag zum wiederholten Male vor den Kameras und appellierte an seine Landsleute, sich impfen zu lassen. Es gebe in den Vereinigten Staaten genügend Impfstoff für alle, jede Amerikanerin und jeder Amerikaner könne sich dadurch vor schweren Krankheitsverläufen schützen. "Sie können kontrollieren, wie groß die Auswirkung Omikrons auf Ihre Gesundheit sein wird", redete Biden den Menschen ins Gewissen. Sich impfen zu lassen, sei zudem wichtig, um Kinder zu schützen, die selbst noch zu jung für eine Impfung seien. Bisher sind jedoch erst 62 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.

Auch die neuen Richtlinien der Gesundheitsbehörde CDC sollen zur einer Entspannung der Lage beitragen. Die Behörde hatte die empfohlene Isolationsdauer für infizierte Geimpfte vergangene Woche von zehn auf fünf Tage verkürzt – vorausgesetzt die Infizierten haben keine Symptome. Diese können nun schneller an den Arbeitsplatz zurückkehren, wo sie so dringend gebraucht werden. Die Biden-Regierung kündigte zudem an, die Krankenhäuser im Land mit 1000 Medizinkräften des Militärs zu unterstützen. 

Neben der zu niedrigen Impfquote sind es jedoch vor allem die mangelnden Testmöglichkeiten, die vielen Sorge bereiten. Überall im Land bilden sich derzeit lange Schlangen vor den Testcentern, wo die Menschen teils Stunden anstehen. Gerade im Kampf gegen die hoch ansteckende Omikron-Variante ist es nach Expertenmeinung essentiell, so viel zu testen wie möglich. Doch was das angeht sind die USA nach fast zwei Jahren Pandemie noch immer erschreckend schlecht gerüstet.

Quellen: "NY Times", CNN, "Guardian", Johns-Hopkins-Universitätmit DPA-Material