Mehr als vier Stunden bevor Donald Trump seine Rede am Sonntagabend in New York City beginnen sollte, kommt eine Person auf die Bühne, die den Ton für den Abend setzt. Es ist kein guter.
Tony Hinchcliffe verdient sein Geld als Comedian, er ist der erste Redner von Trumps großer Wahlveranstaltung im berühmten Madison Square Garden. Jener Ort, wo in den 1970er-Jahren Elvis Presley live ein Album aufzeichnete und Muhammad Ali einen Boxkampf verlor, der bis heute als Kampf des Jahrhunderts gilt. Hinchcliffe sagt, "im Moment schwimmt im wahrsten Sinne des Wortes eine Müllinsel mitten im Ozean. Ich glaube, sie heißt Puerto Rico".
Einige im Publikum lachen, manche wirken geschockt, buhen sogar. Auf Wahlkampfkundgebungen von Donald Trump geht es oft derbe zu, auch rassistisch. Trump beleidigt gern Venezuela und den Kongo, aber nicht Puerto Rico, das immerhin ein Außengebiet der Vereinigten Staaten ist. Die Menschen, die dort leben, sind amerikanische Staatsbürger.
Das Video geht über die sozialen Netzwerke rasch viral, auch unter Republikanern bricht Panik aus. In Florida leben über eine Million Menschen, die einen puerto-ricanischen Hintergrund haben, in New York etwa eine Million, und in Pennsylvania soll es eine knappe halbe Million sein. Letzterer ist einer der sieben wahlentscheidenden Swing States. Nach der Rally veröffentlicht eine Trump-Beraterin ein Statement, wonach der Spruch von Hinchcliffe "nicht die Ansichten" des früheren Präsidenten widerspiegle. Eine Präsidentschaftskampagne im Krisenmodus.
Am Ort der großen Nazi-Versammlung
Der rassistische und düstere Ton zieht sich durch den gesamten Nachmittag und Abend im Madison Square Garden. Kamala Harris wird als "Antichristin" und "Teufel" bezeichnet, Hillary Clinton als "krankes Scheißding". Die frühere Außenministerin der Vereinigten Staaten hatte Trump vor wenigen Tagen vorgeworfen, er "stelle tatsächlich die Kundgebung im Madison Square Garden von 1939 nach". Damals hatte der Amerikadeutsche Bund dort eine Nazi-Versammlung mit etwa 20.000 Menschen abgehalten. Hakenkreuze inmitten von Manhattan. Ein halbes Jahr später ließ Adolf Hitler Polen überfallen, und der Zweite Weltkrieg begann.

Trump wies den Vergleich seiner Kundgebung mit der in den 1930er-Jahren zurück. "Das hier heißt 'Make America Great Again', das ist alles", hatte er noch am Freitag gesagt. Auch Wrestler Hulk Hogan, der sich wie schon auf dem Parteitag in Milwaukee in Wisconsin im Sommer auf der Bühne in New York sein Shirt zerriss, geht dann am Abend selbst auf das Thema ein. "Heute ist das Donald Trumps Haus", sagt Hogan im Madison Square Garden. Trump sei kein Faschist. "Ich sehe hier keine Nazis."
Noch bevor Donald Trump auf die Bühne kommt, preist ihn der einstige Demokrat und JFK-Neffe Robert F. Kennedy Jr. in höchsten Tönen. Der frühere Fox-News-Moderator Tucker Carlson erklärt, anders als so ziemlich jedem anderen Politiker im Land gehe es Trump einfach nur um die Menschen. Und Elon Musk darf ankündigen, dass er den amerikanischen Bundeshaushalt um zwei Billionen US-Dollar kürzen könnte, falls Trump gewählt wird und der ihn damit beauftragen würde. Danach holt der Tesla- und Space-X-Chef Melania Trump auf die Bühne.
Um kurz nach 19 Uhr Ortszeit ist es schließlich so weit – mit über zwei Stunden Verspätung beginnt Trump seine Rede. Vorab war spekuliert worden, welchen Ton der frühere Präsident anschlagen würde. New York ist seine Heimatstadt, in den 1970er-Jahren begann hier seine Karriere als Immobilienunternehmer. Wenn nicht gerade Wahlkampf ist, verbringt er seine Zeit aber kaum noch in seiner Heimat, sondern vor allem in Florida. Würde Trump also versuchen, eine Geschichte zu erzählen, dass der verlorene Sohn nach Hause zurückkehrt? Die Erwartung wird enttäuscht – über mehr als das Versprechen "Make New York City Great Again" kommt der 78-Jährige nicht hinaus.
Für Donald Trump ist Amerika ein "besetztes Land"
Er hält eine Rede, wie er sie schon auf vielen Wahlkampfveranstaltungen in diesem Jahr gehalten hat. Joe Biden habe versagt, Kamala Harris sowieso. Mit ihm werde es weder Kriege noch Inflation geben. Amerika sei ein von illegal eingereisten Einwanderern "besetztes Land", das er mithilfe von Massenabschiebungen wieder befreien wolle. "Was Kamala zerstört hat, werde ich reparieren", sagt Trump. Zuvor waren Schilder mit genau dieser Botschaft ausgegeben worden: "Trump will fix it." Es ist die zentrale Botschaft für die letzten Tage des Wahlkampfes.
Fast eineinhalb Stunden lang spult Trump seine bekannten Satzbausteine ab. Das aber seinen zum Teil weit angereisten Fans zu monoton. Noch während der Ex-Präsident seine Rede hält, machen sich zunehmend viele auf den Heimweg, der Madison Square Garden, der Ort von Elvis und Muhammad Ali, er leert sich zunehmend, nur auf der Bühne spricht einer ungerührt von der "Rally des Jahrhunderts": Donald Trump.