Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker warnt davor, Irland nach dem Nein-Votum zum Lissabon-Vertrag unter Druck zu setzen oder zu isolieren. "Ich bin darüber beunruhigt, dass es vor allem großen EU-Staaten an Sensibilität gegenüber Irland fehlt", sagte der dienstälteste Regierungschef der "Financial Times Deutschland". "Wir überwinden die Krise nicht, wenn wir den Iren Standpauken halten oder sie in die Ecke stellen", kritisierte Juncker.
Er halte es "für verhängnisvoll, wenn wir Irland ausgrenzen würden", sagte Juncker. Es sei "arrogant", den Iren zu sagen, ihr Votum zähle nicht, weil es aus einem kleinen Land käme. "Ich bin ein Spezialist für kleine Staaten", sagte der luxemburgische Regierungschef. "Sie mögen es nicht, wenn die Großen ihnen Lektionen erteilen". Die EU müsse mit Irland einen Weg aus der Krise finden.
Nach Informationen der "FTD" zeichnen sich die Konturen einer Lösung der Referendumskrise ab. So verlautete aus Kreisen der EU-Regierungschefs, es könnten Irland einige Protokolle und Erklärungen angeboten werden, die Ängste der irischen Wähler vor Eingriffen in die nationale Souveränität entkräften könnten. Dazu könnten Klarstellungen gehören, dass der Lissabon-Vertrag nicht zu einer Legalisierung von Abtreibungen führe, die Neutralität des Landes nicht antaste und Dublins Vetorecht bei EU-Steuerbeschlüssen nicht in Frage stelle.
Der "Welt" sagte er, er rechne mit deutlichen Verzögerungen beim EU-Reformvertrag. Er erwarte, dass dieser nicht wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten werde. "Es wird also zum Beginn des kommenden Jahres keinen neuen EU-Ratspräsidenten, der für zweieinhalb Jahre amtiert, keinen neuen Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik und keinen neuen Europäischen Diplomatischen Dienst geben." Zugleich betonte Juncker, dass die Verzögerungen auch eine Verkleinerung der EU-Kommission erforderlich machten: "Sollte der Lissabonner Reformvertrag nicht in Kraft treten, muss die EU-Kommission laut des Vertrags von Nizza, der ja dann immer noch gültig ist, mit derzeit 27 Kommissaren ab 2009 verkleinert werden. Dann wird nicht mehr jedes Land einen eigenen Kommissar haben."