Der Blick vom Dulje-Pass im Kosovo geht weit über eine grüne Landschaft bis hin zu den schneebedeckten Bergen in Albanien. Es ist ein Idyll – mit grausamer Vergangenheit. Am Rande der Straße steht eine in Stein gefasste Gedenkstelle: darauf ein rötlich schimmernder Stein, links weht die kosovarische Fahne, rechts die deutsche. Drumherum wachsen zwei Kirschbäume.
Auf einer Tafel steht auf Albanisch und Deutsch: "Am 13. Juni 1999 wurden hier die Reporter Gabriel Grüner, Volker Krämer und Senol Alit ermordet." Und darunter: "Der Regen/ Kehrt nicht zurück nach oben/ Wenn die Wunde/ Nicht mehr schmerzt/ Schmerzt die Narbe. Bertolt Brecht"
Der Dulje-Pass war im Kosovokrieg eine umkämpfte Stellung. Hier sind viele Menschen ums Leben gekommen. Am 13. Juni 1999 aber war der Krieg schon zu Ende. Ein russischer Söldner hatte aber noch keinen Frieden gemacht: Er feuerte aus kurzer Distanz auf die Kollegen. Krämer und Alit waren sofort tot, Grüner starb einige Stunden später in einem Militärlazarett.
Jetzt, 20 Jahre später, haben sich am Tatort die Honoratioren der Stadt Suhareka und des Staates Kosovo versammelt: der Bürgermeister, der örtliche Abgeordnete des Parlaments, ein ehemaliger Innenminster des Kosovo, die Beraterin des Premierministers. Ein Mädchenchor hat "Imagine" von John Lennon gesungen.
Gegen das Vergessen
Mit großem Ernst und Gewissenhaftigkeit halten die Kosovaren die Erinnerung an die stern-Kollegen aufrecht. Jedes Jahr an diesem Tag fährt eine Delegation hoch zur Gedenkstelle, die auf 900 Metern über dem weiten Tal liegt. Aus Deutschland kümmert sich Uli Reinhardt, der Gründer von "Zeitenspiegel" und enger Freund von Gabriel Grüner, zusammen mit stern-Kollegen darum, dass die ermordeten Kollegen nicht vergessen werden.

Der Todestag ist für die Gemeinde Suhareka ein Festtag, der "Tag der Befreiung" nach rund zwei Jahren Krieg. Ein großes Volksfest wird gefeiert, mit Reden, Gesang und Fahnenschmuck auf den Straßen. Auch dies in diesem Jahr zum 20. Mal.
Bei der zentralen Feier in der Sporthalle der Stadt war stern-Publisher Frank Thomsen eingeladen, eine Rede zu halten. Er dankte den Kosovaren, die erneut durch hochrangige Funktionsträger des kleinen Landes vertreten waren, Ministern, Bürgermeistern, Generälen. "Sie selbst haben in Ihren Familien im Krieg viel Leid erfahren, und trotzdem hat Ihr Herz noch Platz für die drei Kollegen vom stern."

Es sei für alle bei G+J, besonders beim stern etwas ganz Besonderes, wie das Gedenken an die Kollegen bewahrt werde. "Wir feiern heute gern mit Ihnen. Ein Auge weint. Noch immer. Für immer. Ein Auge aber freut sich auch: Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft und Ihre nicht endende Erinnerung."
Bereits im Mai, anlässlich der Verleihung des 20. Gabriel-Grüner-Stipendiums, hatte stern-Chefredakteur Florian Gless zur Erinnerung an die Reporterkollegen eine Rede in Gabriel Grüners Geburtsort Mals in Südtirol gehalten. Hier finden Sie die Rede im Wortlaut.
Die Bilder von stern-Fotograf Volker Krämer gingen um die Welt
