Diese Villa hat Stil: Eingebettet in einen weitläufigen Park mit seltenen Bäumen steht hoch über Baden-Baden das große weiße Haus mit malerischem Blick auf die Burgruine Hohenbaden. An der Staufenbergstraße 51a kulminiert an diesem Novembermontag eine mediale Aufregung, wie sie die beschauliche Kurstadt schon lange nicht mehr erlebt hat. Seit dem Morgen schon lungern Kamerateams an der Wiese vor dem 30.000-Quadratmeter-Grundstück, beobachtet nur von Überwachungskameras und zwei Kripobeamten in einem dunklen Mercedes.
Seit Tagen schon hält sich das Gerücht, dass das noble Anwesen insgeheim vorbereitet wird für Georgiens Staatschef Eduard Schewardnadse, der in seiner Heimat seine politischen Macht verloren hat. Erst am Sonntag war der 75-Jährige vor den Augen der Weltöffentlichkeit von einer "samtenen Revolution" aus dem Amt gefegt worden. Am Montagabend bereitet Schewardnadse den Spekulationen dann ein jähes Ende und erklärt in einem Interview, er wolle in seiner Heimat bleiben und nicht nach Deutschland kommen.
Höchst verwirrende Nachrichtenlage
Zuvor hatte sich eine teils höchst verwirrende Nachrichtenlage ergeben: So kursierten morgens Gerüchte, wonach der Ex-Präsident schon im Flugzeug sitzt - Zielort Deutschland. Kurz vor Mittag dann die Meldung, der Geschasste werde gleich am Flughafen Baden-Baden landen. Darauf rast der Journalisten-Pulk hinab ins Rheintal, wo einige Kollegen um 12.30 Uhr auch einen verdächtigen Privatjet landen sehen, der dann mit grünen Grenzschutzautos im Sicherheitsbereich des einstigen Militärflughafens verschwindet. Als dann auch noch ein kleiner Hubschrauber in Richtung Stadt startet, scheint das Unbestätigte Gewissheit und eilig werden erste Meldungen verbreitet.
Doch die Gerüchte bleiben an diesem Tag Gerüchte. Denn zum Frust der wartenden Medienvertreter erreichen weder Hubschrauber noch Limousinen die Villa - sondern wieder nur unbestätigte Meldungen, wonach der Gesuchte doch bei seiner Familie im heimatlichen Georgien weilt. Am Flughafen seien nur russische Geschäftsleute gelandet, heißt es.
Baden-Baden freundlich gerüstet
Aber auch, wenn Schewardnadse womöglich nie kommt - Baden-Baden zeigte sich am Montag für sein Eintreffen freundlich gerüstet. "Wir sind eine internationale Stadt, die gewohnt ist, hochrangige Gäste zu empfangen", diktiert Bürgermeister Klaus Michael Rückert den Journalisten ins Notizbuch. "Herr Schewardnadse ist in Deutschland willkommen und er ist auch in Baden-Baden willkommen."
Der Ex-Präsident könnte sich in der Kurstadt heimischer fühlen als anderswo - denn wohlhabende Gäste aus der ehemaligen Sowjetunion sind hier seit einigen Jahren oft - und gern - gesehen. Zwar machen russische Staatsbürger in der offiziellen Übernachtungsstatistik gerade mal drei Prozent aus, aber russischsprachige Touristen gelten in der Stadt mittlerweile als tonangebend. In teureren Hotels, heißt es, sind 30 Prozent Russen normal. "Die kaufen einfach alles" erklärt Viktor Ladner die wirtschaftliche Bedeutung des Phänomens. Der Aussiedler arbeitet seit vier Jahren als Taxifahrer speziell für russische Klientel.
Schon im 19. Jahrhundert stand Baden-Baden bei begüterten russischen Familien hoch im Kurs - Schriftsteller wie Dostojewski, Tolstoj und Turgenjew vergnügten sich in der "Sommerresidenz Europas". Roland Seiter, Pressesprecher der Stadt, weiß um Baden-Badens guten Ruf: "Wir sind nach Berlin die bekannteste Stadt in Russland", zitiert er eine kürzlich veröffentlichte Umfrage.
Woher hat er das Geld?
Elf Millionen Euro soll die Villa laut einem Bericht des "Badischen Tagblatts" kosten. Da stellt sich die Frage, wo der Präsident der verarmten Kaukasus-Republik so viel Geld hernehmen würde. Marina Fischer, eine Aussiedlerin aus Kasachstan, die in der russisch-orthodoxen Kirche am Fuße der Staufenbergstraße Kerzen anzündet, findet das skandalös: "Bei uns hatte nie jemand so viel Geld, und in Georgien auch nicht", klagt sie. Raissa Leucht, die ebenfalls aus Kasachstan stammt und die Kerzen verkauft, würde sich dagegen freuen, Schewardnadse, der sich zu Beginn seiner Präsidenten-Amtszeit offiziell taufen ließ, zum Gottesdienst zu begrüßen. "Er ist herzlich willkommen", sagt sie.
Die Nachbarn der weißen Villa sehen eher skeptisch in die Zukunft. "Hoffentlich hört das Theater bald wieder auf", sagt etwa Astrid Bishop, die seit 30 Jahren nebenan wohnt. Schon die letzte Besitzerin, die Grundig-Witwe Chantal, habe die Nachbarschaft mit bewaffneten Bodyguards verstört. Davor gehörte das Haus Frau Bishop zufolge einem Bühler Klebstoff-Unternehmer und dem Inhaber eines Zementkonzerns. "Der Uhu-Fischer war der beste Nachbar, reizend war der", erinnert sich die Dame. Wer nun nebenan einziehen wird, bleibt an diesem Nachmittag offen.