Parteiverbote sind in der Türkei nichts Ungewöhnliches. Seit Beginn der 1960er Jahre wurden mehr als 20 Parteien vom Verfassungsgericht aufgelöst, weil es das Prinzip der Trennung von Staat und Religion oder die staatliche Einheit gefährdet sah. Betroffen waren vor allem islamistische und pro-kurdische Organisationen. Eine regierende Partei mit großer parlamentarischer Mehrheit wie die AKP war bislang noch nicht darunter.
Im Januar 1998 traf es die islamische Wohlfahrtspartei (RP) von Necmettin Erbakan, die damals die größte Fraktion im Parlament stellte. Die Richter befanden, die Wohlfahrtspartei habe einen "Heiligen Krieg" zum Sturz der laizistischen (weltlichen) Staatsordnung ausgerufen. Erbakan, der 1997 vom Militär als Ministerpräsident zum Rücktritt gezwungen worden war, erhielt ein fünfjähriges Betätigungsverbot. Nach den Militärputschen von 1971 und 1980 waren bereits zwei Erbakan-Parteien verboten worden: zunächst die Nationale Ordnungspartei, dann die Nationale Heilspartei. Der heutige Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gehörte mehreren Erbakan- Parteien an.
Mit einem Prinzip gebrochen
Im Juni 2001 verfügte das Gericht das Verbot der RP-Nachfolgepartei. Die oppositionelle islamistische Tugend-Partei (FP) habe mit ihren "Aktivitäten" gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Religion verstoßen, erklärten die Richter. Einer der 102 FP-Abgeordneten war der heutige Staatspräsident Abdullah Gül.
Auch eine Reihe pro-kurdischer Parteien geriet ins Visier des Verfassungsgerichts. 2003 wurde die Demokratie-Partei des Volkes (HADEP) verboten. Wie ihr bereits 1994 gebannter Vorläufer, die Demokratie-Partei (DEP), galt sie als verlängerter Arm der illegalen separatistischen Kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Links außen traf es 1991 die Vereinigte Kommunistische Partei (TBKP). Sie gefährdete nach Meinung des Gerichts die territoriale und nationale Unteilbarkeit des Staates. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nannte das Verbot später rechtswidrig. Die TBKP war 1987 als Zusammenschluss von bereits illegalen Exil-Kommunisten mit moskautreuen Kommunisten entstanden.