Donald Trump und Hope Hicks scheinen auf den ersten Blick wie zwei Figuren aus der Feder von Walt Disney. Die junge, strahlende Frau und der alte, mächtige Mann. Das Model und der Präsident. Die Schöne und das Biest.
Aber das hier ist kein Märchen, und Donald Trump ist keine Zeichentrickfigur. Das hier ist die Realität. Hope Hicks zählt zu den mächtigsten Frauen der US-Regierung und bekleidet mit 29 Jahren eins der höchsten Ämter im Weißen Haus. Sie hört zu. Sie berät. Sie lenkt. Jahresgehalt: 179 700 Dollar. Wer Nähe zum Präsidenten sucht, der muss an Hope Hicks vorbei.
"Trump-Flüsterin"
Als Kommunikationschefin wacht sie bei Pressekonferenzen im Hintergrund, souffliert bei Bedarf und begleitet Trump auf seinen Reisen: nach Davos, zum Papst, nach Mar-a-Lago. Sie fliegt mit in der Air Force One, ihr Schreibtisch steht in Rufweite zum Oval Office. Hicks ist Teil des innersten Kreises, der sich um den mächtigsten Mann der Welt schart. Deshalb bezeichnet man sie auch als "Trump-Flüsterin" oder "the woman who knows everything" – die Frau, die alles weiß.
Und ja, wenn jemand weiß, ob und wie Trumps Wahlkampfteam oder gar er selbst den Versuch unternahm, mithilfe der Russen die amerikanische Präsidentschaftswahl zu beeinflussen – dann sie. Als die Russland-Affäre publik wurde, half Hicks ihrem Präsidenten, E-Mails zurückzuhalten und so die Geschehnisse im Nachhinein zu manipulieren.
Sonderermittler Mueller prüft gerade, ob sie sich der Strafvereitelung schuldig gemacht hat. Hicks bestritt lange, dass es Kontakte zwischen Russland und dem Trump-Team gegeben habe. Sie wusste auch, dass sich Donald Trump jr. mit Wikileaks austauschte. Und dass an das Pornostarlet Stormy Daniels Schweigegeld gezahlt wurde, damit Daniels nichts über ihre Affäre erzählt. All dies ließ Hicks via Erklärung und Pressesprecher ausdrücklich dementieren. Sie ist diejenige, die Trumps heikle Tweets manchmal lesen und vorab mit ihm besprechen darf und die Auftritte von Sprecherin Sarah Huckabee Sanders vor der Presse dirigiert, inklusive der Halbwahrheiten und Lügen, die diese im Namen Trumps und zu dessen offensichtlicher Zufriedenheit verbreitet.

Außer Trumps Familienangehörigen hat sich kein Berater des Präsidenten so lange in seiner Nähe gehalten wie Hope Hicks. Während Trump einen Mitarbeiter nach dem anderen entsorgte, unter ihnen auch ihre beiden Vorgänger, stieg Hicks unaufhaltsam auf.
Ivanka war es, die sie eines Tages ihrem Vater vorstellte. Die Präsidententochter hatte Hicks als Model kennengelernt, dann als PR-Frau angestellt. Donald Trump gab Hicks einen Job in seinem Wahlkampfteam. Es war ihre erste Berührung mit dem Politikbetrieb, ihn störte das nicht, er sagte, es sei das Jahr der Außenseiter. Die beiden sollten noch viele weitere Gemeinsamkeiten finden.
In dem Buch "Let Trump be Trump" schildern die Autoren ein Gespräch zwischen Trumps ehemaligem Wahlkampfmanager Corey Lewandowski und dem Milliardär. "Als wir das Ganze starteten, gab es nur dich, mich und ein Flugzeug. Das war alles, was wir hatten", sagte Trump zu Lewandowski. "Und wir hatten Hope", erwiderte Lewandowski. "Sie hatte ungefähr so viel Erfahrung wie eine Kaffeetasse", sagte Trump. "Immerhin sieht sie gut aus", erklärte Lewandowski. "Das ist immer hilfreich", bestätigte Trump.
Bislang hat Hope Hicks alle Skandale weggelächelt
Hicks gilt als zurückhaltend, sehr fleißig, diskret und dem Präsidenten grenzenlos ergeben. Sie scheinen Kaffeetassen-Vergleiche nicht zu stören. Oder das Grapscher-Geprahle ihres Bosses. In gewisser Weise verkörpert Hope Hicks auch Trumps Wählerinnen aus dem republikanischen, weißen Amerika: Trump mag ihnen nicht immer angenehm sein, aber er bringt ihre Werte, ihre Ziele so weit voran, dass sie ihm vieles verzeihen. Im Wahlkampf bügelte Hicks Trumps Anzughosen. Und bis heute legt sie ihm geflissentlich positive Geschichten zu seiner Person auf den Schreibtisch.
Als Hicks ins Weiße Haus zog, erlangte sie nicht nur Zutritt zum politischen Machtzentrum der Vereinigten Staaten. Sie wurde auch Teil einer riesigen Lügenfabrik, die das Land unablässig mit Fake News befeuert.
Bislang hat Hicks alle Skandale des Weißen Hauses weggelächelt. Die Affären mit "Playboy"-Häschen und Pornostars, die der Präsident während seiner Ehe mit Melania unterhielt, wurden dementiert. In der Russland-Affäre half Hicks offenbar dem Präsidenten, nachträglich Beweise zu vertuschen. Deshalb wurde auch sie von Sonderermittler Robert Mueller verhört. Und anders als bei vielen ehemaligen Leuten aus seinem Team, die nun zu Kronzeugen werden, konnte sich Trump stets auf die eiserne Loyalität seiner Kommunikationschefin verlassen.
Aber auch Hicks, die immer alles richtig machen will, hat Fehler gemacht. Sie war es, die den "Fire and Fury"-Autor Michael Wolff mit Donald Trump zusammenbrachte. Sie war es auch, die Wolff nach einem netten Artikel über Trump Zutritt zum Weißen Haus verschaffte – und sie war es schließlich, die später vergaß zu kontrollieren, wo genau sich Wolff dort herumtrieb und was genau er eigentlich recherchierte. In seinem Skandalbuch stellt Wolff den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika als kindischen, fernsehglotzenden, geistig eingeschränkten Idioten bloß. Er nennt Hicks die "wahre Tochter" Trumps, er unterstellt, die beiden hätten eine Affäre. Trump versuchte, das Buch verbieten zu lassen, ohne Erfolg. Es wurde zum Bestseller.
Modeln. Oder doch in die Politik? So könnte man sagen, dass Hope Hicks' Bilanz als Kommunikationschefin durchwachsen ausfällt. Aufgabe eines solchen Kommunikationschefs im Weißen Haus war es bisher, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Und nicht nur für und mit dem Präsidenten. Unter Barack Obama wäre eine Figur wie Hicks undenkbar gewesen, zu viele Fehler, zu viele Lügen.
Aber zu Trump passt sie. Der amerikanische Präsident hat mit Hicks eine Frau an seiner Seite, die genau so virtuos lügen kann wie er selbst. Und dazu verkörpert sie das Amerika seiner Träume. Schön, weiß, republikanisch, reich.
Trumpkompatibles All-American-Girl
Wer versucht, Hope Hicks näherzukommen, merkt schnell, dass die Frau, die alles über Trump weiß, nicht will, dass andere etwas über sie wissen. Interviewanfragen lehnt sie grundsätzlich ab. Öffentliche Auftritte scheut sie. Auf Twitter gab es einen Scherz-Account namens "Hicksnocomment", in dessen Profil es hieß: "Schreib mir an HopeHicksDidNotRespond@gmail.com, und ich werde dich ignorieren".
Das einzige Interview, das Hope Hicks je gegeben hat, wurde vor mehr als einem Jahrzehnt geführt. Hicks war damals 13 Jahre alt. Es erschien im "Greenwich" Magazine, einer Hochglanz-Zeitschrift aus der Kleinstadt Greenwich in Connecticut, in der Hicks geboren wurde. Hicks wird darin gefragt, was sie später werden will. Sie antwortet: "Ich kann noch nicht genau sagen, ob Modeln das ist, was ich aus meinem Leben gern machen würde. Ich bin auch interessiert an Politik – das liegt bei uns in der Familie, meine Eltern haben sich im Regierungsviertel in Washington kennengelernt. Also, wer weiß?"

Greenwich, wo ihre Familie bis heute lebt, ist New Yorks Vorort der Reichen. Vor der Privatschule reihen sich Porsche, BMW und Lamborghini aneinander wie eine motorisierte Perlenkette. In der Kleinstadt sind so viele Hedgefonds angesiedelt, dass ihr Spitzname "Ober-Hedgistan" ist. Hier verbrachte Hicks ihre Katalogkindheit mit Schwimmen, Rudern und dem Ballspiel Lacrosse. Hier wuchs sie zu einem Trumpkompatiblen All-American-Girl heran.
In der Bibliothek des Orts kennt man, natürlich, Hope Hicks und ihre Familie, aber man lebe ja in Greenwich, damit man unter sich bleibe. Deshalb: keine Fragen, bitte. Ein Restaurantbetreiber sagt, erwerde verklagt von Hicks' Vater, wenn er mit der Presse rede. Und im Greenwich Country Club, in dessen Schwimmbad Hicks ihre Bahnen zog, bekommt man als Gast keinen Zutritt. Die Elite bleibt unter sich.
Hicks fing nach ihrem Englischstudium in Texas bei "Hiltzik Strategies" an, einer großen PR-Firma in New York, und trat damit ein noch größeres Erbe an. Nicht nur ihr Vater ist PR-Profi für die National Football League, auch Hicks' Großvater war Kommunikationschef der Ölfirma Texaco während der großen Ölkrise. Man würde gern von Hope Hicks wissen, wo für sie die Grenze zwischen Lüge und PR verläuft. Und ob es da eine Familientradition gibt.
Bisher überstand sie alle Skandale Ihre letzte Lüge ist erst ein paar Tage alt. Und durch sie geschah, was Hicks eigentlich vermeiden wollte: Sie geriet selbst in die Schlagzeilen. Anfang vergangener Woche wurde Robert Porter, Stabssekretär von Donald Trump, von zwei seiner Ex-Frauen angeklagt. Sie sagten aus, Porter habe sie geschlagen. Daraufhin gab das Weiße Haus eine Presseerklärung heraus: Man stehe voll und ganz hinter Porter.
Zwei Biester
Hicks hatte an dieser Erklärung mitgearbeitet. Sie und der Stabschef des Weißen Hauses, John Kelly, ließen die Öffentlichkeit wissen, Porter sei "ein Mann von wahrer Integrität". Kurz nachdem die Anschuldigungen öffentlich geworden waren, kam heraus, dass Hicks und Porter ein Liebespaar waren. Es scheint, als habe Hicks auch hier einfach geschwiegen, gegenüber ihren engsten Kollegen. Und gegenüber Donald Trump.
Kelly, so heißt es, stehe seit diesem Skandal auf der Abschussliste. Porter selbst ist Geschichte. Aber Hicks ist heil aus der Sache herausgekommen.

Vielleicht hat auch einfach das Bild getäuscht, das Hicks und Trump zusammen abgaben. Vielleicht waren sie nie die Schöne und das Biest. Sondern immer schon zwei Biester.
Das "Forbes"-Magazin wählte Hope Hicks Anfang 2017 zu den wichtigsten Führungskräften unter 30 Jahren. Als man sie fragte, wer der beste Mentor sei, den sie sich vorstellen kann, sagte sie: "Donald Trump".