Nach fünf Wochen intensiver Bemühungen um eine Regierungsbildung musste die israelische Außenministerin Zipi Livni zuletzt doch das Handtuch werfen. "Das Volk muss seine Führung wählen", sagte Livni, nachdem sie Staatspräsident Schimon Peres offiziell über das Scheitern der Koalitionsgespräche informiert hatte. Sie sei deshalb für Neuwahlen. "Und ich beabsichtige, zu gewinnen." Bei den Wahlen, die nach dem Gesetz binnen 90 Tagen nach einer Entscheidung von Peres stattfinden müssen, rechnen Kommentatoren mit einem möglichen Comeback des rechtsorientierten Likud-Vorsitzenden und ehemaligen Regierungschefs Benjamin Netanjahu (1996 bis 1999).
Israelische Medien deuteten die gescheiterte Regierungsbildung als klaren Misserfolg Livnis, die vor fünf Wochen als "Sauberfrau" die Wahlen zum Parteivorsitz der Kadima-Partei gewonnen hatte. Sie löste den unter Korruptionsverdacht stehenden Ehud Olmert Ende September als Parteivorsitzende ab, dieser steht jedoch bis zu den Wahlen weiter an der Spitze einer Übergangsregierung. Die 50-Jährige stehe nun vor den Neuwahlen im Januar oder Februar als "Verliererin" da und befinde sich angesichts des Imageverlusts eindeutig an einer Position der Schwäche, schrieb die Zeitung "Haaretz". Ihr Wunsch, bei den nächsten Wahlen als Ministerpräsidentin anzutreten, ging nicht in Erfüllung.
Die Hauptschwierigkeit bei den Koalitionsverhandlungen mit den strengreligiösen Parteien Schas und Tora-Judentum war laut Livni deren Forderung, bei den Friedensverhandlungen mit den Palästinensern nicht über das Thema Jerusalem zu sprechen. Dazu habe sie sich nicht verpflichten wollen, sagte die Außenministerin, die seit Januar die Nahost-Friedensgespräche leitet. "Sie wollen die Friedensgespräche stoppen, und dazu bin ich nicht bereit." Auch die Forderung von Schas nach einer Erhöhung des Kindergeldes um eine Milliarde Schekel (etwa 200 Millionen Euro) habe eine Einigung verhindert. Nachdem Schas Livni endgültig die kalte Schulter zeigte, sprangen nun auch die anderen potenziellen Koalitionspartner nacheinander ab.
Schas erhofft sich nach Angaben des israelischen Rundfunks von Netanjahus Likud größere Zugeständnisse als von Livnis Kadima. Der Schas-Vorsitzende Eli Jischai habe das "historische Bündnis" mit Netanjahu erneuert. Der Bund war zerbrochen, nachdem Netanjahu vor fünf Jahren als Finanzminister das Kindergeld gekürzt hatte, das vor allem den kinderreichen ultraorthodoxen Familien zu Gute kam, dem Stammklientel von Schas. Schas erwarte nun aber, dass "die Hand, die die Zuschüsse genommen hat, sie auch wieder zurückgibt", berichtete der Sender. Auch Netanjahus konservative politische Linie und seine klare Weigerung, in der Jerusalem-Frage einen Kompromiss mit den Palästinensern zu schließen, passt besser zu Schas.
Mit dem Scheitern von Livnis Koalitionsgesprächen tritt Olmert, der sich in den letzten Wochen spürbar zurückgehalten hatte, wieder in den Vordergrund. Der amtierende Regierungschef werde die Verhandlungen mit den Palästinensern und möglicherweise auch mit Syrien mit aller Macht vorantreiben, schrieb ein Kommentator der israelischen Zeitung "Jediot Achronot". Das Ziel sei dabei, "sofort zu Friedensverträgen zu gelangen, auch um den Preis von Gebietsverlusten im Westjordanland und auf den Golanhöhen". Dies werde Olmerts Rivalin Livni zwar nicht gefallen, "aber viel kann sie nicht dagegen unternehmen".