"Du musst Dir keine Sorgen machen, Corazon", beruhigt Elisabeth Hermosade die weinende Frau und nimmt sie in den Arm. "Wir finden schon eine Lösung." Corazons Ehemann Carlos hat gerade seinen Job verloren. Nun weiß die Familie nicht, wie sie die 250 Pesos zusammenkratzen soll, die sie im Monat zum Überleben braucht. Umgerechnet sind das vier Euro. Völlig verzweifelt sitzen die Eheleute nun in ihrer Hütte in der philippinischen Hauptstadt Manila. Unter ihnen gurgelt der Novotas. Im Fluss treiben Unrat, Plastik, Essensreste und Fäkalien.
Rund 300 weitere Familien leben unter dieser Brücke in Verschlägen aus Plastikplanen und Sperrholz, übereinander und nebeneinander. Insgesamt sollen 150.000 Familien unter den Brücken leben, die sich über Kanäle und Flussarme der philippinischen Metropole spannen. Die Behausungen krallen sich wie Fledermäuse in den Beton. Ihre Bewohner nennt man deshalb "Fledermausmenschen".
Elisabeth Hermosade war eine von ihnen. Sie hat es geschafft, dem Elend zu entkommen - mit Unterstützung von ZOTO, einer Hilfsorganisation. "Ohne Hilfe hätte ich es niemals fertig gebracht", sagt sie.
Menschen, die Mut machen
Überall auf der Welt gibt es Menschen, die anderen helfen und in scheinbar ausweglosen Situationen Mut machen. Menschen, die oft selbst nichts besitzen, wegen ihres sozialen oder politischen Engagements bedroht werden und doch nicht aufgeben. Das Hilfswerk der evangelischen Kirche Deutschlands, "Brot für die Welt", unterstützt diese Menschen. Mit Spenden und mit praktischer Hilfe zur Selbsthilfe. So entstanden unzählige Projekte auf allen Kontinenten. In diesem Jahr feiert die Organisation den 50. Jahrestag ihrer Gründung. stern.de stellt während der Vorweihnachtszeit in einer Kooperation mit "Brot für die Welt" 26 Menschen vor, die von der Hilfe aus Deutschland profitiert haben - und nun selber zu Helfern geworden sind: zu Menschen, die Mut machen.
"Was sollen wir hier?"
Hermosade stammt aus der Provinz Pampanga, einer der ärmsten Regionen der Philippinen. Kindheit und Jugend verbrachte sie im Slum. Anstatt die Schule zu besuchen, nahm sie Drogen und schnüffelte Klebstoff. Irgendwann verließ ihr Vater die Familie, und ihre Mutter trank sich um den Verstand. Viel tiefer kann man nicht fallen, dachte sie, bis das Geld nicht einmal mehr für eine Wellblechhütte reichte und sie unter der Brücke landete.
Hier traf sie auf ZOTO, holte mit deren Hilfe die Schule nach, ließ sich zur Sozialarbeiterin ausbilden und wurde dann Sprecherin und Frauenbeauftragte von ZOTO. Die Hilfsorganisation ist so etwas wie eine Selbsthilfegruppe der Armen mit etwa 10.000 Mitgliedern. Sie unterhält Kindertagesstätten und Krankenstationen in Slums, bildet Sozialarbeiter aus, bietet Schulungen an und Computerkurse für Jugendliche, organisiert Theateraufführungen und Konzerte, vermittelt Kleinkredite, tritt für die Rechte der Armen ein und fördert die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Manila
Manila ist die Hauptstadt der Philippinen. Sie liegt auf der Hauptinsel Luzón. Manila ist eine von 16 weiteren Städten und Kommunen, die zusammen die 636 Quadratkilometer große Region Metro Manila bilden. In der Stadt Manila leben 1,7 Millionen Menschen, in der Agglomeration Metro Manila 11,6 Millionen.
Elisabeth Hermosade lebt heute in einem Umsiedlungsprojekt der Regierung, drei Sammeltaxistunden von Manila entfernt. Dort gibt es kleine Häuser aus unverputztem Stein, umgeben von grünen Hügeln und sauberer Luft. Hierhin wurden über 6000 Fledermausmenschen umgesiedelt. Gebessert hat sich ihre Lage nur optisch. "Die Regierung löst Probleme nicht; sie verlagert Armut nur", beklagt Hermosade. Da es hier keine Arbeit gibt, sind die Männer während der Woche in Manila und schlafen weiter unter Brücken. "Was sollen wir hier?", fragt Hermosade und antwortet gleich selbst: "Wir müssen weiter kämpfen."