Wenn sich Charles Adapa aus Uganda den Himmel vorstellen soll, dann sieht er eine schwarze Scheibe. Seine Welt besteht aus Schwingungen, aus Hitze und Kälte, aus Oberflächen und vor allem aus den Abständen zwischen ihnen. Charles Adapa ist blind.
Adapa wuchs als blindes Kind seines blinden Vaters im Osten Ugandas auf, wo die beiden bei den Brüdern des Vaters eben so mitlebten. Die Tradition sah für den kleinen Charles vor, dass er Steine klopfen sollte, um sie für den Hausbau zu verkaufen. Doch in der Grundschule fiel der Junge auf: Er löste alle Aufgaben vor den Anderen, merkte sich alles - und fragte und fragte. "Ich durfte weiter die Schule besuchen", sagt er.
Menschen, die Mut machen
Überall auf der Welt gibt es Menschen, die anderen helfen und in scheinbar ausweglosen Situationen Mut machen. Menschen, die oft selbst nichts besitzen, wegen ihres sozialen oder politischen Engagements bedroht werden und doch nicht aufgeben. Das Hilfswerk der evangelischen Kirche Deutschlands, "Brot für die Welt", unterstützt diese Menschen. Mit Spenden und mit praktischer Hilfe zur Selbsthilfe. So entstanden unzählige Projekte auf allen Kontinenten. In diesem Jahr feiert die Organisation den 50. Jahrestag ihrer Gründung. stern.de stellt in einer Kooperation mit "Brot für die Welt" 26 Menschen vor, die von der Hilfe aus Deutschland profitiert haben - und nun selber zu Helfern geworden sind: zu Menschen, die Mut machen.
Die Universität lehnte ihn ab
Da die Familie nicht das Geld für die Studiengebühren hatte, sollte nach der Oberschule Schluss sein. Die Universität akzeptierte seine in der Schule abgelegte Mathematik-Prüfung nicht, weil keiner an der Hochschule Blindenschrift lesen konnte. "Aber mit lebenslangem Steineklopfen wollte ich mich nicht abfinden", sagt Adapa.
Er musste nicht Steine klopfen. Florence Ssekabira hörte von diesem pfiffigen Jungen, von seiner Intelligenz und seinen Schwierigkeiten. Die als Baby an Polio erkrankte Frau hatte dank eines Stipendiums von "Brot für die Welt" in England studiert - und es zur ersten Ministerin für Behinderte in Uganda gebracht. Damals versteckte man die als verflucht geltenden Behinderten in Uganda noch. Wer es nach draußen auf die Straße schaffte, dem blieb nur das Betteln. Noch heute müssen 80 Prozent aller Bettler in Uganda betteln.
Uganda
Uganda liegt in Ostafrika und grenzt im Norden an den Sudan, im Osten an Kenia, im Süden an Tansania, im Südwesten an Ruanda und im Westen an die Demokratische Republik Kongo. Das - im Vergleich zu anderen ostafrikanischen Staaten - an fruchtbaren Böden reiche Land wurde von Winston Churchill als "Perle Afrikas" bezeichnet. Aufgrund der Diktatoren, hierunter der als "Schlächter von Afrika" bekannt gewordene Idi Amin, und mehrerer Bürgerkriege konnten sich Wohlstand und Rechtstaatlichkeit kaum entfalten.
Ssekabira wollte die ungerechte Behandlung von Behinderten nicht länger mit ansehen. Sie intervenierte wegen Adapas Mathematikprüfungen und vermittelte außerdem den Kontakt zu "Brot für die Welt". Mit deren Hilfe konnte Adapa sein Studium aufnehmen. Der junge Blinde lernte, indem er Vorleser bezahlte, die für ihn zahllose Kassetten mit Büchern besprachen.
Kein Gehalt, aber glücklich
Heute arbeitet Adapa als Lehrer für blinde Schüler am "Sure Prospects Institute", eine der wenigen integrativen Schulen in Uganda. Neben blinden, werden auch taube und entwicklungsverzögerte Schüler unterrichtet. Ihr Direktor Francis Kamuhanda hat sie vor acht Jahren gegründet. Er hatte brillante Studienleistungen, eine halbseitige Lähmung durch Polio und eine Förderin - Florence Ssekabira.
Als Lehrer bekommt Adapa kein Gehalt. Dafür schläft er jedoch kostenlos mit acht anderen Studenten in einem 13 Quadratmeter großen Raum, erhält Essen, Seife und ab und zu Kleidung. "Jetzt gebe ich zurück, was man mir ermöglicht hat", sagt Adapa. "Meine Bildung war wie ein Geschenk für mich. Mein Elixier." In seiner Freizeit übersetzt er Pädagogik-Bücher in die Blindenschrift. Das ist besser als Steineklopfen. Viel besser.