Nahost-Konflikt Joe Bidens Frust über Netanjahus Vorgehen

US-Präsident Joe Biden: "Ich will eine Feuerpause sehen"
US-Präsident Joe Biden: "Ich will eine Feuerpause sehen"
© Joe Lamberti / DPA
Der Ramadan beginnt und eine Feuerpause im Nahost-Konflikt ist nicht in Sicht. Joe Biden versucht zu vermitteln – und ist den Kurs von Israels Premier Benjamin Netanjahu zunehmend leid.

In den vergangenen Tagen häuften sich die Hinweise, dass Joe Biden zunehmend die Geduld mit Benjamin Netanjahus Vorgehen im Nahost-Konflikt verloren hat. Es gab zarte Äußerungen am Rande seiner State-of-the-Union-Rede und mehrere Medienberichte. Am Samstag dann nahm Biden erstmals auf größerer Bühne Stellung. In einem TV-Interview mit dem US-Sender MSNBC formulierte er ungewöhnliche klare Kritik. Biden sagte, dass Netanjahu mit seinem Vorgehen Israel "mehr schadet als hilft". Der israelische Ministerpräsident habe "ein Recht, Israel zu verteidigen, ein Recht, die Hamas weiter zu verfolgen", sagte Biden. Er müsse aber "den unschuldigen Menschen, die als Folge der ergriffenen Maßnahmen ums Leben kommen, mehr Aufmerksamkeit schenken".

Gleichzeitig drang Joe Biden auf eine vorübergehende Waffenruhe. "Ich will eine Feuerpause sehen, beginnend mit einem großen Gefangenenaustausch. Für einen Zeitraum über sechs Wochen", sagte er. Auf einer Feuerpause könne aufgebaut werden, so Biden. Er habe mit der Mehrheit der arabischen Staats- und Regierungschefs gesprochen, "von Saudi-Arabien über Ägypten bis Jordanien sind alle bereit, Israel vollständig anzuerkennen und mit dem Wiederaufbau der Region zu beginnen".

Joe Biden zu Rafah: "Es ist eine rote Linie" 

Biden betonte, die Verhandlungen über eine Feuerpause würden fortgesetzt und gab sich optimistisch: "Ich glaube, es ist immer möglich. Daran werde ich festhalten." Zuvor hatte das "Wall Street Journal" berichtet, dass die Gespräche der Vermittler Ägypten, Katar und USA am Sonntag in Kairo weitergehen würden. Dem Bericht zufolge hält die islamistische Hamas an ihrer Forderung nach einem Waffenstillstand und Abzug der israelischen Armee aus Gaza fest, ist aber zu weiteren Verhandlungen bereit. Die arabischen Unterhändler planten, auf eine zunächst kürzere Feuerpause von zwei Tagen zu Beginn des Ramadan zu drängen, hieß es.

Zu einem möglichen israelischen Militäreinsatz in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens, in die etwa 1,5 Millionen Menschen geflüchtet sind, äußerte sich Biden nicht eindeutig. "Es ist eine rote Linie", sagte der 81-Jährige und fügte sofort hinzu, er werde Israel niemals im Stich lassen. Die Verteidigung Israels bleibe sehr wichtig.

Hamas-Angaben: Über 30.000 tote Palästinenser

Es gebe keine rote Linie, bei der er die Waffenlieferungen vollständig einstellen wolle, sodass die Israelis nicht das Raketenabwehrsystem Iron Dome zum Schutz hätten, sagte Biden weiter. Er fuhr jedoch fort: "Es gibt rote Linien", es dürfe nicht noch weitere 30.000 tote Palästinenser geben.

Israel geht seit dem beispiellosen Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 30.900 Menschen in dem Küstenstreifen getötet.

Bei dem Überfall der Hamas hatten Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Palästinensergruppe israelischen Angaben zufolge etwa 1160 Menschen getötet sowie rund 250 als Geiseln verschleppt.
  Biden macht keinen Hehl mehr aus seiner Frustration bezüglich Netanjahu. In seiner Rede zur Lage der Nation am Donnerstag hatte er dessen unnachgiebige Haltung scharf kritisiert. "Der Führung in Israel sage ich folgendes: Humanitäre Hilfe darf keine zweitrangige Überlegung oder ein Druckmittel sein. Der Schutz und die Rettung unschuldiger Leben muss Priorität haben."

Der US-Präsident will in diesem Jahr wiedergewählt werden und gerät wegen seiner Unterstützung für Israel zunehmend unter Druck. Vor seiner Rede vor dem Kongress fand eine pro-palästinensische Demonstration statt, deren Teilnehmer Biden Völkermord vorwarfen.

DPA · AFP
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