Am liebsten wäre Palomares ein Dorf wie jedes andere. Aber der kleine Ort im Südosten Spaniens ging in die Geschichte ein als der Schauplatz des weltweit bislang größten Unfalls mit Atomwaffen. Am 17. Januar 1966 waren - mitten in Friedenszeiten - bei Palomares vier Atombomben vom Himmel gefallen. Ein US-Bomber war beim Auftanken in der Luft mit dem Tankflugzeug kollidiert und auseinander gebrochen. Die Bomben - mit einem Vielfachen der Sprengkraft der Hiroshima-Bombe - explodierten nicht. Zwei von ihnen platzen aber auf und verstreuten radioaktives Plutonium.
Unerwartet hohe radioaktive Strahlung
Die Vergangenheit holt das Dorf in der Provinz Almería immer wieder ein, so auch jetzt nach fast 39 Jahren. Nachmessungen an der Unglücksstelle ergaben eine unerwartet hohe radioaktive Strahlung im Erdreich. Die spanische Regierung entschied, das betroffene Gelände im Eilverfahren zu enteignen. Experten sollen prüfen, wie der Boden entseucht werden kann.
Dabei wollen die Dorfbewohner von Atombomben und Radioaktivität nichts mehr wissen. Über den Albtraum von damals will niemand sprechen. "Die Leute haben die Nase voll", berichtet Bürgermeister Jesús Caicedo. Die Bewohner blicken lieber in die Zukunft - und das mit gutem Grund: Ihr Dorf scheint vor goldenen Zeiten zu stehen.
Der Bauboom an der Mittelmeerküste hat auch das abgelegene Palomares erreicht, Investoren verheißen große Reichtümer. Ein riesiger Komplex von Luxuswohnungen soll entstehen, man plant den Bau von Golfplätzen. Die Bodenpreise schnellten binnen fünf Jahren auf das Zehnfache empor.
Dieser Bauboom zwang die Regierung nun zum Einschreiten. Mit der Enteignung verstrahlter Grundstücke soll nämlich verhindert werden, dass diese bebaut werden. "Akut besteht keinerlei Gefahr", betont der Leiter der Prüfstelle CIEMAT, Juan Antonio Rubio. "Aber es soll verhindert werden, dass die Strahlung zu einem Problem wird."
Regelmäßige Untersuchungen der Bewohner
In der Bevölkerung ist die Angst vor den Strahlen längst verschwunden. "Wir müssen nicht mehr die Herkunft unserer Tomaten und Salatköpfe kaschieren, wie wir dies jahrelang getan haben", sagt der Bürgermeister. Die Dorfbewohner werden noch immer regelmäßig auf mögliche Strahlenschäden untersucht. Aber in Palomares ist die Häufigkeit von Krebserkrankungen nicht höher als im spanischen Durchschnitt.
Bei dem Unglück vor 38 Jahren war im Dorf niemand zu Schaden gekommen. Allerdings wurden sieben der insgesamt elf Besatzungsmitglieder an Bord der kollidierten US-Maschinen getötet. Beide Flugzeuge waren nach dem Zusammenstoß abgestürzt. Drei Atombomben prallten auf die Erde, eine vierte stürzte ins Meer. Das US-Militär trug damals an der Unglücksstelle 1600 Tonnen verseuchtes Erdreich ab und brachte es in die USA.
Furcht um Massentourismus
Die ins Meer gestürzte Bombe wurde erst 80 Tage nach dem Unglück aus dem Wasser gehievt. Ein spanischer Fischer, der den Absturz beobachtet hatte, gab den Amerikanern den entscheidenden Tipp. Wegen des Atombomben-Dramas fürchtete Spanien um den Massentourismus, der sich damals noch in den ersten Anfängen befand. Um den Urlaubern die Angst vor radioaktiven Strahlen zu nehmen, badete der damalige Tourismusminister Manuel Fraga am Strand von Palomares im Meer. Fraga, mittlerweile 82 Jahre alt, amtiert heute noch als Ministerpräsident der Region Galicien.