Presseschau zur Regierungsbildung im Irak Viele Zweifel, leise Hoffnung

Nach acht Monaten des Streits haben die politischen Parteien im Irak mit der Regierungsbildung begonnen. Die internationale Presse sieht den Kompromiss skeptisch, aber hofft das Beste.

Das Machtvakuum im Irak ist beendet: Nach acht Monaten heftiger Auseinandersetzung haben sich die politischen Kräfte des Landes auf eine Regierung unter Ministerpräsident Nuri el Maliki geeinigt. Die Macht im Land soll unter den drei größten Bevölkerungsgruppen - den Schiiten, den Sunniten und den Kurden - aufgeteilt werden.

Doch schon am Tag der Bekanntgabe des Kompromisses zeigte dieser erste Risse: Rund 60 Abgeordnete der sunnitischen Irakija Partei verließen das Parlament aus Protest gegen einen angeblichen Bruch des Abkommens. Auch viele Kommentatoren der internationalen Presse zweifeln an der Beständigkeit des Paktes.

"Der Standard" (Österreich)

Die liberale Wiener Zeitung "Der Standard" gab sich am Freitag vorsichtig hoffnungsvoll:

"Zuerst acht Monate nichts und dann das: Die beiden irakischen Erzrivalen Maliki und Allawi einigen sich nicht nur auf eine Regierung der Nationalen Einheit, sie sind dafür auch bereit, ein paar besonders dicke Frösche zu schlucken. Bestimmt werden einige Anhänger auf beiden Seiten von "Verrat" sprechen. Aber bei der sich seit Jahresbeginn ständig verschlechternden Sicherheitslage gibt es nur mehr den Weg nach vorne. (...)

Ob sich Maliki und Allawi gemeinsam aufschwingen können, eine Politik für den Irak zu machen, die über die eigenen Machtinteressen und die ihrer Sponsoren im Ausland hinausgeht? Nach acht Monaten Stillstand ist man über jeden Neuanfang froh."

"De Volkskrant" (Niederlande)

Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" zweifelt an der Beständigkeit eines politischen Konstrukts entlang ethnischer Linien:

"Es ist ein Kompromiss, der viel von einer "libanesischen Lösung" hat. Posten wurden gemäß der ethnischen und religiösen Verhältnisse verteilt. Der Schiit Maliki bleibt Premier. Die Präsidentschaft fällt wieder an den Kurden Talabani. Den Parlamentsvorsitz bekommt Allawis Block, der dafür wohl einen Sunniten nehmen wird. Allawi selbst wird einen neu zu errichtenden Staatsrat führen, der die Aufsicht über die Sicherheitsbehörden haben soll. Es ist wenig Fantasie nötig, um sich vorzustellen, dass diese Konstruktion in kurzer Zeit neue Risse bekommen wird. Aber eines muss man den Irakern lassen: Immer wenn man denkt, dass gleich alles auseinanderbricht, finden sie im letzten Moment ein Bindemittel."

"Die Presse" (Österreich)

Die konservative Wiener Zeitung "Die Presse" mahnt die USA, die Einigung im Irak durch die rosarote Brille zu sehen:

"Doch Amerika hat noch keinen Grund aufzuatmen. Nicht nur, weil unsicher ist, welches Ablaufdatum die neue irakische Regierung hat. Sondern auch deshalb, weil Nouri al-Maliki selbst als unsicherer Kantonist gilt. Dem Führer des Blocks der schiitischen religiösen Parteien wird eine zu große Nähe zum Iran nachgesagt - etwas, was den Strategen in Washington naturgemäß Kopfzerbrechen bereitet. Vor allem jetzt, da sie den vollständigen Abzug der US-Soldaten aus dem Zweistromland vorbereiten."

DPA
jwi/AFP/DPA