Rede zur Lage der Nation Obama will das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen

Angesichts der jüngsten Rückschläge für die US-Demokraten ist Präsident Barack Obamas erste Rede zur Lage der Nation mit großer Spannung erwartet worden.

Angesichts der jüngsten Rückschläge für die US-Demokraten ist Präsident Barack Obamas erste Rede zur Lage der Nation mit großer Spannung erwartet worden. Die demokratischen Kongressabgeordneten versprachen sich davon neue Vorgaben und Impulse für ihre politischen Vorhaben - insbesondere die umstritte Gesundheitsreform sowie Konjunkturprogramme. Vor allem aber ging es darum, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, die mit der Regierung Obama zunehmend unzufrieden sind.

Eigentlich ist es bereits die zweite Rede des Präsidenten vor beiden Kammern des Kongresses. Die erste fand Ende Februar 2009 statt. Da war Obama gerade einen Monat im Amt, so dass die Ansprache nicht als Rede zur Lage der Nation gewertet wurde, sondern als politische Erklärung, in der die neue Regierung ihr Programm vorstellte. "Es ist ein Programm, das mit Arbeitsplätzen beginnt", sagte Obama damals und bekundete tiefstes Verständnis für einfache Bürger, die aus Existenzangst nachts nicht schlafen könnten.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist weiterhin eines der Schlüsselthemen, doch inzwischen wird Obama nicht mehr an seinen Versprechen gemessen, sondern daran, ob er sie eingelöst hat. Und hier haben sich zunehmend Zweifel ausgebreitet. Zwar hat Obama laut Umfragen immer noch einen Großteil der Bevölkerung hinter sich, doch vor allem bei der Beurteilung seiner Wirtschaftspolitik mehren sich die kritischen Stimmen. Zugleich ergab eine Gallup-Erhebung kürzlich, dass Obama die Nation spaltet wie kaum ein Präsident vor ihm: 88 Prozent der demokratischen Wähler stehen auf seiner Seite, während von den Anhängern der Republikaner nur 23 Prozent mit seiner Politik einverstanden sind.

Zu dieser Kluft hat nicht zuletzt die umstrittene Gesundheitsreform beigetragen. Diese liegt vorerst auf Eis, weil die Demokraten kürzlich ihren Senatssitz in Massachusetts verloren haben - und damit die kritische Mehrheit von 60 Stimmen in der zweiten Kongresskammer. Das Repräsentantenhaus hat sich bislang geweigert, die im Senat bereits beschlossene Vorlage zur Gesundheitsreform zu übernehmen, was eine neuerliche Abstimmung umgangen hätte.

Nach dem Schock von Massachusetts fürchten viele Demokraten, bei den im kommenden November anstehenden Zwischenwahlen zum Kongress ihren Sitz zu verlieren, und wollen deshalb von einem umstrittenen Gesetzesvorhaben lieber die Finger lassen. Die Lösung dieses Gordischen Knotens wird nun von Obama selbst erwartet, und dazu erhofften sich die Abgeordneten klare Vorgaben von der Rede zur Lage der Nation. "Der Präsident wird am Mittwochabend (Ortszeit) auf den Neustart-Knopf drücken, und danach müssen wir die Sache binnen Wochen, nicht erst binnen Monaten, in Ordnung bringen", erklärte Anthony Weiner, demokratischer Abgeordneter des Repräsentantenhauses aus New York.

Wie Obama die Gesundheitsreform angehen würde, wurde deshalb mit besonderer Spannung erwartet. Vor der Rede war zu vernehmen, dass er keine Kehrtwende seiner politischen Ziele anstrebe. So feilten seine Mitarbeiter noch in der Nacht zuvor an neuen Formulierungen zu diesem Schlüsselthema. Wichtig war ihnen dem Vernehmen nach auch, mehr Transparenz über die politischen Vorgänge in Washington zu schaffen und das Vertrauen der Bürger damit zurückzugewinnen. "Yes, I get it" - ja, ich habe kapiert, warum es euch geht - diese Botschaft wollte Obama nach vorherigen Verlautbarungen in seiner Rede rüberbringen.

APN
Ben Feller/APN