Es ist ein schreckliches Bild, das Einwohner und Oppositionelle aus der Provinz Hama von dem Massaker in der zentralsyrischen Ortschaft al Kubeir zeichnen: "Der Boden war bedeckt von verbrannten Körpern von Kindern, Frauen und jungen Mädchen", beschreibt Laith, ein junger Mann aus einem Nachbardorf, die Situation nach dem Blutbad am Donnerstag. "Was ich gesehen habe, ist unvorstellbar: Es war ein grauenhaftes Massaker, die Menschen wurden hingerichtet und verbrannt", sagt der Augenzeuge mit zitternder Stimme in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP.
Anderthalb Wochen nach dem Massaker in der Ortschaft Hula mit mindestens 108 Toten ermordeten syrische Regierungskämpfer am Mittwoch nach Oppositionsangaben dutzende Einwohner der Nachbardörfer al Kubeir und Maasaraf, darunter mehrere Frauen und Kinder. Laut der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden mindestens 49 Opfer aus al Kubeir identifiziert. Sechs weitere Menschen wurden demnach in Maasaraf getötet. Die syrische Führung unter Präsident Baschar al Assad wies die Berichte zurück und sprach von neun Toten bei "terroristischen" Angriffen, wie sie dies in solchen Fällen immer wieder tut.
Laut Laith waren es regierungstreue Milizen der alevitischen Schabbiha-Miliz, die das sunnitische al Kubeir am frühen Nachmittag stürmten und bis zum Abend wüteten. "Die Menschen aus dem Dorf haben mir erzählt, dass sich die Schabbiha in der Nacht betrunken haben, um die Leichen herumgetanzt sind und Assad gepriesen haben", sagt der junge Mann. Wie andere Quellen nennt auch er Panzer, Granaten, Schusswaffen und Messer als Mordwerkzeuge. Die Aleviten, zu denen auch Assad gehört, besetzen in Syrien viele einflussreiche Posten. Laut Laith gab es in al Kubeir seit dem Beginn des Aufstands gegen Assad im März 2011 nie Proteste.
Regimekritiker fordern UN-Militäreinsatz
Überprüfen ließ sich zunächst keiner der Berichte: Journalisten können sich nicht frei in Syrien bewegen. Aber auch die in dem Land stationierten UN-Beobachter konnten ihrer Arbeit nicht nachgehen. Laut UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon wurden sie am Donnerstag auf ihrem Weg nach al Kubeir und Maasaraf beschossen. Ban nannte das Massaker "schockierend und widerwärtig". Assad sprach er "jede Legitimität" ab und gab dem Konflikt so neue Schärfe. Diese dürfte nicht nur Damaskus gelten, sondern auch Russland und China, die ein schlagkräftiges Vorgehen gegen Assad durch UN-Resolutionen bisher mehrfach verhinderten.
"Wir können das einfach nicht mehr hinnehmen, es wird gemordet, und alles ist Blendwerk und Lüge", schimpft Laith mit Blick auf die Mission der UN-Beobachter in Syrien. Sie seien "in etwa 30 Versuchen" zur Hilfe nach al Kubeir und Maasaraf gerufen worden. "Aber sie sind nicht gekommen", sagt Laith vorwurfsvoll. Nach Angaben von Missionschef Robert Mood wurden sie von syrischen Sicherheitskräften unter anderem mit Straßensperren aufgehalten. Der internationale Syrien-Gesandte Kofi Annan drückte vor der UN-Vollversammlung sein "Entsetzen" über das Massaker aus. Sein im April vereinbarter Friedensplan steht vor dem Scheitern.
Auch nach Ansicht oppositioneller Aktivisten aus der Region Hama, in der al Kubeir liegt, ist die Schabbiha-Miliz für das Massaker verantwortlich. Allein weil die Dorfbewohner sich in dem Konflikt auf keine Seite gestellt hätten, seien sie ein Angriffsziel gewesen, sagt Abu Ghasi al Hamwi in einem Telefonat. "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns", laute die Devise der Regierung. "Das Regime will beweisen, dass es sich um einen Krieg und nicht um einen Aufstand handelt", sagt al Hamwi. Die schlimme Folge sei, dass ein Mann aus al Kubeir, mit dem er gesprochen habe, durch das Massaker "35 Familienmitglieder" verloren habe.