Terroranschlag von Boston In Krankenhäusern herrscht noch Hochbetrieb

Auch Tage nach dem Bombenterror werden in den Krankenhäusern von Bosten noch Opfer operiert. Die Verletzten werden wohl überleben, aber ihre Genesung teils sehr lange dauern.

Ausgerechnet als die Bomben explodierten, stand Peter Burke nicht an seinem gewohnten Arbeitsplatz im Operationssaal. "Ich war bei einer Konferenz auf der anderen Seite des Landes, als ich die Nachricht bekommen habe", erzählt der Chef der Unfallchirurgie des Boston Medical Center. "Dann habe ich mich sofort ins Flugzeug gesetzt, bin spät nachts hier angekommen und habe angefangen zu helfen." 23 der insgesamt mehr als 170 Verletzten wurden nach dem Anschlag auf den Bostoner Marathon in Burkes Krankenhaus im Süden der Stadt gebracht. "Mein Team hat 16 Operationen in den ersten 18 Stunden durchgeführt - hauptsächlich Verletzungen der unteren Gliedmaßen, viele mussten amputiert werden."

Auch Tage nach den Anschlägen herrscht in den Krankenhäusern der Stadt immer noch Hochbetrieb. Dutzende Verletzte müssen weiter behandelt werden. "Wir haben jeden Tag mehrere neue Operationen geplant", erzählt Burke. Es werden wohl alle Verletzten überleben, haben die Krankenhäuser bekanntgegeben. Aber bei vielen kann die Genesung lange Jahre dauern. "Diese Art von Bomben-Verletzungen, das erfordert oft viele, viele Operationen und dann noch eine lange Reha-Zeit", sagt Unfallchirurg Burke. "Die Bomben verletzten die Menschen, indem sie Stücke aus dem, woraus sie bestehen, und aus der Umgebung umherschleudern, und das verletzt das Gewebe, das mussten wir alles rausholen. Wir haben zum Beispiel viele kleine Metallkügelchen gefunden."

Boston hatte Glück im Unglück

Der Schock des Bombenterrors sitzt tief bei den Bewohnern von Boston. Nur langsam kehrt wieder Normalität ein. Die Zielgerade in der Innenstadt ist immer noch weiträumig abgesperrt. Durch die Gitter sind Spezialkräfte in weißen Anzügen zu sehen, die jedes noch so kleine Teil vom Boden der Boylston Street aufheben und untersuchen. In der Parallelstraße sitzen unterdessen Menschen in Straßencafés, trinken Kaffee, essen Eis und genießen die strahlende Sonne. Mittendrin stehen TV-Korrespondenten aus aller Welt, umgeben von grellen Scheinwerfern, und sprechen in ihre Mikrofone. Immer wieder ertönen Sirenen, und Polizeiwagen mit blau-blinkenden Warnleuchten brausen durch die Straße.

Nur langsam wird vielen Menschen hier wirklich bewusst, was geschehen ist - und wieviel Glück im Unglück Boston gehabt hat. "Es waren ja sowieso schon mehrere hundert Ärzte und Krankenschwestern an der Zielgeraden, um den Läufern mit den normalen Gesundheitsproblemen nach einem Marathon zu helfen", sagt Brian French, Krankenpfleger am Massachusetts General Hospital. "Die konnten dann nach den Anschlägen sofort eingreifen, das war ein großes Glück."

Dazu kommt, dass die Universitätsstadt Boston außergewöhnlich viele und außergewöhnlich gute Krankenhäuser auf engstem Raum hat und dass dort wegen des Feiertags am Montag weniger los war als sonst. Das alles, so sind sich die Experten einig, hat dazu geführt, dass weniger Menschen ums Leben gekommen sind, als bei einem solchen Ereignis möglich gewesen wäre.

Menschen mit Nägeln in den Beinen

"Wie gut alles organisiert war, das hat mich sehr beeindruckt", sagt ein 25-jähriger deutscher Medizinstudent, der gerade ein Praktikum am General Hospital absolviert. "Sobald wir von den Anschlägen erfahren haben, wurden die Patienten, die keine dringenden Anliegen hatten, nach Hause geschickt, um Kapazitäten freizumachen", sagt der Student aus Göttingen, der seinen Namen nicht nennen will. "Von überall her kam Hilfe. Viele Kollegen, die eigentlich frei hatten, kamen zur Arbeit. Einer ist direkt aus dem Fitnessstudio herübergekommen, der war noch in Turnklamotten und ganz verschwitzt."

Auf Röntgenbildern sieht der 25-Jährige schon kurz nach dem Anschlag die ersten Verletzungen. "Da waren Menschen, die hatten bis zu 40 kleine Nägel in ihren Beinen. Es war furchtbar." Er arbeitet durch und macht sich gleichzeitig Sorgen um seine eigene Sicherheit. "Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob nicht irgendwo nochmal so eine Bombe losgehen könnte. Und ob es klug ist, jetzt zu den Sehenswürdigkeiten hier in Boston zu gehen oder in einen Zug nach New York zu steigen. Und ob jetzt die Sicherheitsvorkehrungen noch stärker erhöht werden und ich vielleicht kontrolliert werde und Scherereien mit meinem Visum bekomme als Ausländer."

Auch die Helfer brauchen nach dem Bombenterror von Boston Hilfe. "Wir sprechen in unserem Team viel miteinander und trösten uns", sagt Unfallchirurg Burke vom Boston Medical Center. Sein Kollege Brian French vom General Hospital weigert sich, die Nachrichten im Fernsehen zu schauen. "Das ist meine Art, damit umzugehen. Ich will diese Bilder einfach nicht im Kopf haben. Aber ich bin stolz, dass ich als Krankenpfleger den Menschen helfen kann, die betroffen sind. Das hilft auch mir."

DPA
Christina Horsten/DPA